Geliebte Rebellin
Baxter stemmte eine breite Hand gegen den Türrahmen und betrachtete sie mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck. »Da ist nur noch eines.«
»Und was wäre das, Sir?«
»Vielleicht solltest du dich mit dem Gedanken anfreunden, mich mit meinem Vornamen anzureden. Unter den gegebenen Umständen erscheint mir jeder Versuch zwecklos, an Formalitäten festzuhalten.«
Sie starrte ihn sprachlos an.
Anscheinend war er mit ihrer Reaktion zufrieden, den er streckte die Hand aus und zog ihr behutsam die Tür vor der Nase zu.
Zwanzig Minuten später war Baxter noch immer aufgewühlt, als er seine Bibliothek betrat. Er konnte einfach nicht glauben, dass er derart die Selbstbeherrschung verloren hatte.
»Verdammter Mist.«
Er durchquerte den Raum, blieb vor dem kleinen Tischchen neben dem Kamin stehen und streckte die Hand nach der dort stehenden Kristallkaraffe aus. Er war Herr über seine Gefühle und hatte sie meisterlich im Griff, sagte er erbost zu sich selbst. Er war Naturwissenschaftler. Er hatte sein ganzes Leben lang der Logik, der Vernunft und der Zurückhaltung gehuldigt.
Er goss sich einen Cognac ein. Baxter konnte sich nicht einmal mehr daran erinnern, wann er gelernt hatte, all seine Gefühle strikt im Zaum zu halten. Das war etwas, auf das er sich schon immer verstanden hatte, etwas, das er schon immer beherrscht hatte. Sogar in seinen kurzlebigen sexuellen Beziehungen hatte er niemals zugelassen, dass die Leidenschaft über den gesunden Menschenverstand siegte. Er hatte den Schaden, der daraus entstehen konnte, mit eigenen Augen gesehen, und wusste genau, wovon er sprach.
Er trank einen großen Schluck des hochprozentigen Alkohols und genoss das Brennen in seiner Kehle.
Um alles noch schlimmer zu machen, hatte Charlotte auch noch die ungeheure Dreistigkeit besessen, ihn darauf hinzuweisen, dass die Erklärung für sein Verhalten in Byrons überspannter melodramatischer Lyrik zu finden war.
Wenn das nicht genügte, um einen Mann ungestört in der Einsamkeit seines Labors Zuflucht suchen und nie mehr herauskommen zu lassen.
Er ließ sich in seinen Lieblingssessel fallen und starrte in die Flammen im Kamin. Sie erinnerten ihn an Charlotte. Beide erzeugten extrem flüchtige und unbeständige chemische Reaktionen von einer Art, an der sich ein Mann verbrennen konnte, wenn er nicht auf der Hut war.
Er schloss die Augen, doch das drohende Feuer ließ sich nicht so einfach verbannen. Vor seinem geistigen Auge sah er erneut die Flammen, die im Schein der Lampe in Charlottes Haar feuerrot geglüht hatten. Er wollte seine Finger tief in ihre gefährliche Wärme graben. Seine Hand umklammerte das Cognacglas.
Er war nicht der einzige, der in der Kutsche die Kontrolle über sich verloren hatte, rief er sich ins Gedächtnis zurück. Charlottes Reaktion auf ihn war eindeutig gewesen. Wenn der Kutscher die Kutsche nicht angehalten hätte, wäre der Abend anders verlaufen.
Er sah vor sich, wie sich Charlottes weiche Schenkel um seine Taille schlangen und ihre kleinen Fingernägel sich tief in seinen Rücken gruben.
Er trank einen Schluck Cognac und war sich bewusst, dass er Charlotte immer noch riechen konnte. Ihr Duft war ihm zu Kopf gestiegen und verharrte nach wie vor dort. Seine Handfläche konnte sich noch an die Form einer köstlich steifen Brustwarze erinnern.
Er machte sich darauf gefasst, dass ihm eine sehr lange Nacht bevorstehen würde.
Logik und vernünftige Argumente würden ihm heute kaum weiterhelfen. Er war sich sicher, dass er die Erinnerung an Charlotte nicht einfach vertreiben konnte. Das Bild hatte sich tief in ihn eingebrannt.
Wenn er sie das nächste Mal sah, würde er sich wieder fest im Griff haben. Er würde es nicht zulassen, dass er die Selbstbeherrschung ein zweites Mal verlor.
Er warf einen Blick auf sein Glas und stellte fest, dass es bereits leer war. Er wollte es gerade auf das Tischchen neben seinem Stuhl stellen, da entdeckte er eine zusammengefaltete und versiegelte Nachricht. Es handelte sich um ein Schreiben, das schon im Lauf des Tages zugestellt worden war, kurz bevor er das Haus verlassen hatte, um sich mit Charlotte zu treffen.
Das Schreiben kam von Maryann, Lady Esherton, der Witwe seines Vaters. Es war bereits die dritte Nachricht, die sie ihm in dieser Woche zukommen ließ. »Verdammter Mist.« Baxter seufzte resignierend, nahm den Brief in die Hand und brach das Siegel. Das Schreiben war nahezu identisch mit den beiden anderen Nachrichten, die Maryann ihm während
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