Geliebte Rebellin
Esherton hatte ihm die Laune und den Abend verdorben. Das war mal wieder typisch.
Charlotte zog den Hausschlüssel aus ihrer perlenbestickten Handtasche. »Möchten Sie vielleicht noch auf einen Cognac mitkommen, Mr. St. Ives?«
Baxter hatte sich seinen trübsinnigen Gedanken hingegeben, und daher war er sicher, dass er nicht richtig gehört hatte. Er nahm wahr, dass Charlotte ihn mit einem spöttischen Gesichtsausdruck musterte.
»Einen Cognac?« Er nahm ihr den Schlüssel aus der Hand und schloss mit ungeschickten Bewegungen die Tür auf.
»Mir ist klar, dass es schon spät ist, aber wir haben jede Menge miteinander zu besprechen.« Sie trat forsch in die dunkle Eingangshalle und drehte sich zu ihm um. »Wir waren vollauf mit den Vorbereitungen für unseren Eintritt in die Gesellschaft beschäftigt, und daher hatte ich bisher noch gar keine Gelegenheit, Ihnen das kleine Bild zu zeigen, das ich in Mrs. Hesketts Skizzenblock gefunden habe.«
Sie wollte geschäftliche Angelegenheiten mit ihm besprechen.
»Stimmt etwas nicht mit Ihnen, Mr. St. Ives ?«
Er merkte, dass er immer noch auf der Schwelle ihres Hauses stand.
»Ach, du meine Güte, ich habe Ihr Anstandsempfinden verletzt, nicht wahr?« Sie sah ihn kleinlaut an. »Ich versichere Ihnen, dass Sie keinen Grund zur Sorge um Ihren Ruf zu haben brauchen. Außer Ihrem Kutscher wird kein Mensch etwas davon erfahren, dass Sie noch ein paar Minuten mit mir ins Haus gekommen sind. Mrs. Witty ist zu Besuch bei ihrer Cousine und wird über Nacht dort bleiben. Sie kommt nicht vor morgen früh zurück.«
»Ich verstehe.«
Sie lachte fröhlich und lächelte ihn dann an. »Und außerdem sind wir angeblich miteinander verlobt, falls Sie das schon wieder vergessen haben sollten. Kurz und gut, Mr. St. Ives, Ihre Tugend ist nicht in Gefahr.«
Sie lachte ihn tatsächlich aus.
»Ich glaube, einen Cognac könnte ich jetzt wirklich gebrauchen. Und zwar ein großes Glas.« Er machte einen Schritt in die geflieste Eingangshalle und schloss die Haustür bedächtig hinter sich.
Durch die Fenster beidseits der Haustür strömte genug Mondlicht herein, dass Baxter sehen konnte, wie Charlotte ihren Mantel ablegte und ihn an einen Haken an der Wand hängte.
Er beobachtete, wie sie sich hochreckte, um einen Wandleuchter anzuzünden. Er konnte seine Blicke einfach nicht von der Wölbung ihrer Brüste losreißen, die sich ihren Bewegungen anpassten Im nächsten Moment fiel ein warmer Lichtschein auf ihre glatte Haut. Ein alchemistischer Zauber musste am Werk sein, denn der Schein der Lampe weckte das Feuer zum Leben, das in ihrem dunklen Haar begraben lag, und verwandelte ihr gelbes Satinkleid in reines Gold. Als sie sich wieder zu ihm umdrehte und ihn ansah, waren ihre Augen unergründliche Edelsteine.
»Sollen wir uns in mein Arbeitszimmer begeben, Mr. St. Ives? Dort werde ich Ihnen dann Mrs. Hesketts kleine Skizze zeigen.«
»Ja, unbedingt«, hörte Baxter sich sagen.
Eine gewaltige Sehnsucht packte ihn, als er sah, wie sie auf das im Dunkeln liegende Zimmer zuging. Das anmutige Wiegen ihrer Hüften unter den goldenen Röcken brachte das Blut in seinen Adern zum Kochen.
»Der Cognac steht auf dem Tisch am Fenster«, rief ihm Charlotte aus ihrem Büro zu. Wieder flackerte ein Lichtschein auf, als sie in dem kleinen Zimmer eine weitere Lampe anzündete.
Das Licht, das durch die Tür des Arbeitszimmers drang, lockte Baxter mit der unwiderstehlichen Macht eines Zauberspruchs an. Er zögerte gerade deshalb noch einen Moment.
Wahrscheinlich war es alles andere als ratsam, dieses Arbeitszimmer zu betreten.
Jedenfalls sprachen Logik und Vernunft dagegen.
»Verdammter Mist.« Er riss heftig an dem Knoten seines Halstuchs und durchquerte die Eingangshalle, um in die Traumwelt einzutauchen, die sich auf der anderen Seite der Tür zu ihrem Arbeitszimmer vor ihm auftat.
»Was haben Sie gesagt?« fragte Charlotte, als er das Zimmer betrat.
»Nichts von Bedeutung.« Er bückte sich und zündete das Feuer an. Dann richtete er sich wieder auf und ging zu dem Tisch, auf dem der Cognac stand.
Charlotte lief um ihren Schreibtisch herum und bückte sich, um eine der unteren Schubladen zu öffnen. »Ich habe die Seite mit der kleinen Zeichnung aus, dem Skizzenblock herausgerissen. Soweit ich es erkennen kann, hat keines der anderen Aquarelle in dem ganzen Buch etwas mit dieser kleinen Skizze zu tun, und die übrigen Zeichnungen lenkten doch nur ab.«
»Ja, allerdings.« Baxter betrachtete
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