Geliebte Suenderin
unbehagli-chem Schweigen. Nachdem sie am Haus angelangt waren, folgte der Colonel ihnen ungebeten nach drinnen, als wäre er dort zu Hause. Sabrina entschuldigte sich hastig und folgte Richard nach oben. Der Colonel würde auf das erwünschte Gespräch einfach noch warten müssen.
»Bitte, nehmt doch Platz«, sagte Mary zum Colonel, als sie gemeinsam den Salon betraten.
»Es würde mich sehr freuen, wenn Ihr mich Terence nennt«, sagte er leise, und Mary errötete.
»W-wirklich, Colonel, ich bin Euch sehr dankbar für Eure Hilfe auf dem Jahrmarkt. Aber Ihr habt vorhin schwere Beschul-digungen gegen meine Schwester ausgesprochen, die ich nicht einfach vergessen kann«, sagte Mary hastig, und ihr sonst so heiteres Gesicht war ein Spiegel dessen, wie hin und her gerissen sie von ihren Gefühlen war.
»Es tut mir leid, wenn ich Euch aufgeregt habe, Mary«, sagte er, demonstrativ ihren Vornamen gebrauchend. »Ich finde aber, es ist höchste Zeit, daß ein Mann das Kommando über diesen Haushalt übernimmt. Eure Schwester hat lang genug gemacht, was sie will. Gott weiß, daß es an einem Morgen vor so langer Zeit, in den Hügeln von Schottland mit einer geladenen Pistole in ihrer Hand begann. Versteht Ihr denn nicht, daß ich Eurer Familie nur helfen will? Ihr habt ja keine Ahnung, in welche Gefahr sich Eure Schwester jedesmal begibt, wenn sie sich als Bonnie Charlie verkleidet.«
Marys Mund wurde schmal. »Keiner hat zugegeben, daß Sabrina Bonnie Charlie ist. Das ist einfach lächerlich, Colonel«, widersprach Mary.
»Ist es wirklich so lächerlich? Ein seltsamer Zufall, daß ihr aus Schottland stammt wie auch der Räuber. Er ist ziemlich klein, und seine Komplizen sind ungewöhnlich groß, so riesig wie die zwei Männer, die sich heute nachmittag so freundschaftlich mit Eurer Schwester unterhalten haben, und dann, Mary«, der Colonel spielte seinen letzten Trumpf aus, »haben sie sie auch Charlie genannt.«
Mary schwieg. »Ihr habt immer noch keinen stichhaltigen Beweis, Colonel. Keiner würde Euch glauben, und Ihr werdet wie ein Narr dastehen«, sagte sie leise. Sie brachte es einfach nicht fertig, ihm zu vertrauen.
»Glaubt Ihr denn wirklich, ich würde Eure Schwester den Behörden übergeben? So unmenschlich bin ich nun auch wieder nicht. Aber ich kann auch nicht dulden, daß sie weiterhin die ganze Gegend überfällt und terrorisiert. Sie muß daran gehindert werden.«
Mary wandte sich von seinem durchdringenden Blick ab und schaute aus dem Fenster. Was sollte sie bloß tun? Sie konnten es sich nicht erlauben, sich diesen Mann zum Feind zu machen.
Wenn sie doch nur ein bißchen mehr Zeit hätten, dann wäre alles vorbei, und er bräuchte nie die Wahrheit zu erfahren. Dann konnte er ihnen nichts mehr anhaben.
»Mary«, sagte Colonel Fletcher und näherte sich von hinten der steifen Gestalt, »kämpfe nicht gegen mich.«
Mary zuckte zusammen, als sie spürte, wie seine große Hand sich auf ihre Schulter legte und sie umfing. Sie drehte den Kopf und versuchte sich loszureißen. »Wirklich, Colonel, Ihr nehmt Euch zuviel heraus. Laßt mich sofort los.«
»Ich werde mir noch wesentlich mehr herausnehmen, Mary«, erwiderte er dreist und drückte sie fester an die harten Metall-knöpfe seiner Uniform. »Du bist eine ganz schöne Herausforderung für einen alten Soldaten, und, wie ich festgestellt habe, kämpfe ich immer am besten, wenn ich ein bestimmtes Ziel vor Augen habe.«
Mary lief puterrot an. »Sir, ich verbitte mir, daß Ihr mich als Objekt für Eure Manöver mißbraucht, hier ist keine Kaserne, in der Ihr einfach Befehle erteilen könnt, als stünden wir unter Eurem Kommando!«
Colonel Fletcher lachte. »Ich hab’ mich schon gefragt, ob du auch etwas vom Trotz deiner Schwester hast. Ein so arrogantes Frauenzimmer wie sie ist mir bis jetzt noch nicht vorgekom-men. Es ist kaum zu fassen, daß ihr verwandt seid. So verschieden, in jeder Hinsicht«, murmelte er und strich eine rote Locke aus ihrem Nacken, »die eine züchtig und süß, die andere frech und kämpferisch.«
Mary starrte ihn mit wachsender Panik an, als sein Arm langsam ihre Taille umfing. »Ich dachte, Männer mögen Frauen mit Esprit?«
»Einige Männer, ja, aber als Soldat, der schon zu viele Schlachten hinter sich hat, suche sich jetzt eine sanfte Frau, eine, die ein Freund sein kann, mit der man ein Heim teilen kann, nicht ein Schlachtfeld. Ich habe die Scharmützel satt und will nur Ruhe. Mir tut der Mann leid, der es mit deiner
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