Geliebte Suenderin
ihrer Kindheit, selbst überrascht, daß sie sich noch daran erinnern konnte, als ein fremder Mann hereinkam, kühn an ihr Bett schritt und sie seltsam ansah.
Er sieht sehr gut aus, trotz der Narbe auf seiner Wange, dachte Sabrina und zog sich keusch die Decke über die Schultern. Er war groß und schlank, in Lederhosen, die seine Schenkel wie eine zweite Haut umspannten, und seine teilweise auf-geknöpfte Lederweste und das offene gerüschte Hemd ermög-lichten den Blick auf ein Dreieck goldener Haare auf seiner Brust. Seine Haare hatten dieselbe dunkle goldene Farbe und hingen in wilden Locken bis auf seine Schultern.
»Verzeih meinen Aufzug, aber ich war reiten und wurde bei meiner Rückkehr informiert, daß du wach bist und Tee trinkst, da habe ich mir gedacht, ich leiste dir Gesellschaft«, sagte er schließlich und setzte sich, ohne auf eine Einladung zu warten, zu ihr aufs Bett und schlug seine gestiefelten Beine übereinan-der. »Ich hab’ sogar meine eigene Tasse mitgebracht.« Er grinste und füllte sich die Tasse vom Teetablett neben dem Bett.
»Wer seid Ihr?« fragte Sabrina neugierig. »Warum kommt Ihr in mein Zimmer?«
»Weil ich Durst habe«, erwiderte er boshaft und nahm einen kräftigen Schluck von dem heißen Getränk. »Und als Antwort auf deine erste Frage, ich bin Lucien.« Er kniff die Augen zusammen, legte den Kopf zur Seite und sagte: »Aber ich hatte gedacht, du erinnerst dich an mich, kleine Sabrina.«
Sabrina legte die Hände an ihre Schläfen, die plötzlich schmerzten. »Tut mir leid, aber ich war krank und hab’ ein paar Sachen vergessen, aber ich bin sicher, an Euch würde ich mich erinnern. Es tut mir leid, aber seid Ihr sicher, daß wir uns kennen?«
»Oh, sogar sehr sicher, Sabrina, du mußt wissen, ich bin dein Verlobter«, sagte er ohne Umschweife.
Sabrinas Augen wurden vor Angst ganz groß. »Das kann nicht sein! Ich bin nicht verlobt! Daran würde ich mich erinnern. Das weiß ich. Ihr seid ein Fremder«, rief sie verwirrt, mit Tränen in den Augen.
Lucien stellte seine Teetasse ab, nahm ihre verkrampften Hände in seine und schüttelte traurig den Kopf. »Nicht direkt ein Fremder, nachdem wir ein Liebespaar sind und du mein Kind unter deinem Herzen trägst.«
Sabrina stieg die Röte ins Gesicht, und sie versuchte, ihm ihre Hände zu entziehen.
»Nein«, flüsterte sie verzweifelt.
»Ja«, erwiderte er streng, steckte die Hand unter die Decke und legte sie besitzergreifend über ihren Unterleib. Sabrina erstarrte. »Bald wird man es sehen.«
»Ist das der Grund, warum Ihr mich heiraten wollt?« fragte sie schmerzerfüllt, ohne ihm in die Augen zu sehen.
»Nein, ich würde dich auch dessenungeachtet heiraten. Die Pläne wurden gemacht, bevor ich davon wußte.« Seine Hand streichelte ihre Hüfte und glitt um ihre Taille, dann zog er sie an sich. »Vertrau mir, Sabrina. Würdest du mich heiraten, wenn du mich nicht liebtest? Hättest du mir sonst erlaubt, mit dir zu schlafen?«
Sabrina drehte sich zu ihm und versuchte mit verwirrten gro-
ßen Augen seine Gedanken zu lesen.
Warum sollte er lügen?
Und wenn sie sein Kind unter dem Herzen trug, was blieb ihr anderes übrig? Sie mußte ihn lieben - sie würde sich sicher im Lauf der Zeit daran erinnern, aber bis dahin mußte sie ihm glauben. Und irgendwie schien es ihr so vertraut, wie er da an ihrer Bettkante saß, so natürlich.
Ihr Lächeln war süß, als sie mit geöffneten Lippen die Arme um seinen Hals schlang und ihn vertrauensvoll ansah. Lucien holte tief Luft und spürte, wie ihr gefügiger Körper in seinen Armen seine Leidenschaft weckte. Vergessen war der Trotz und der Haß, den er erwartet hatte. Aus der fauchenden Wildkatze war ein schnurrendes Kätzchen geworden.
Er beugte den Kopf und küßte sie zuerst sanft und, als sie reagierte, heftiger, teilte ihre Lippen mit seinem Mund und küßte ,sie leidenschaftlich, drückte ihren Körper enger an sich. Sie löste sich von seinem Mund und schaute in seine liebevollen Augen, mit einem Lächeln auf ihren weichen roten Lippen, als sie sagte: »Du sagst die Wahrheit, glaube ich, denn ich kann mich an einen Kuß wie diesen irgendwie erinnern.«
Eine Zeit der Freude, des Tanzens
des Trinkens, Lachens, Zechens
und der Gedankenlosigkeit.
John Dryden
KAPITEL 1 2
»Oh, schau, Lucien«, rief Sabrina und lief zu Lucien, mit einem Vogelnest aus Zweigen und Blättern in den Händen. Darin lagen drei Zilpzalp-Eier, glatt und warm von der Sonne. »Sie sind von
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