Geliebte Suenderin
daunenweiches Köpfchen, genoß das Gefühl, das Kind an ihrer Brust zu haben, die kleinen Hände, die eine ihrer dicken Locken fest umklammert hielten.
»Sabrina«, flüsterte Tante Margaret und schlich auf Zehenspitzen ins Zimmer.
Sabrina hob überrascht den Kopf, die Erinnerungen an das letzte Jahr hatten alles andere verdrängt. »Tante Margaret, du bist aber heute früh auf. Ich hatte gedacht, daß du nach der gestrigen Reise lange schläfst. Ich weiß, wie du es haßt zu reisen.«
»Ich mußte kommen«, flüsterte sie und betrachtete dabei neugierig Rhea, »und jetzt ist die Zeit gekommen, es dir zu sagen.«
»Die Zeit mir was zu sagen?« fragte Sabrina höflich, aber ohne Neugier und beugte sich über Rhea.
»Das Geheimnis natürlich«, rief Tante Margaret. »Und jetzt wirst du es erfahren, meine Liebe. Ich kann es dir zeigen.«
Sabrina sah überrascht in Tante Margarets aufgeregtes Gesicht.
So lebendig hatte sie sie nie zuvor gesehen. »Was kannst du mir jetzt erzählen?«
»Oh, aber ich muß es dir unter vier Augen sagen, Liebes«, erklärte sie streng, mit einem bedeutungsvollen Blick auf das Baby. »Keiner darf uns belauschen.«
Sabrina beobachtete mit gerunzelter Stirn, wie Tante Margaret nervös an ihren Händen zupfte, mit vor Aufregung glänzenden Augen. Dann sah sie hinunter zu Rhea, die mit einem Lächeln auf ihrem molligen Gesicht eingeschlafen war.
»Laß mich Rhea zu Bett bringen, dann reden wir, Tante Margaret«, sagte Sabrina leise. »Es dauert nur eine Minute«, beschwichtigte sie sie, als sie sah, wie ungeduldig ihre Tante wurde.
Bei ihrer Rückkehr in den Salon saß Tante Margaret immer noch auf der Kante der Sitzbank, ein Stück Gobelin an die Brust gedrückt, mit vor Erwartung hochrotem Kopf. »Du hast so lange gebraucht, mindestens eine Stunde«, tadelte Tante Margaret sie, obwohl höchstens fünfzehn Minuten vergangen waren, seit Sabrina das Zimmer verlassen hatte.
»Tut mir leid, Tante Margaret«, entschuldigte sich Sabrina.
»Also, was für ein Geheimnis willst du mir verraten?«
Tante Margaret lächelte listig. »Ich kenne dieses Geheimnis schon sehr lange und habe es nie weitererzählt. Ich durfte nie davon reden, ich mußte es Angus versprechen, und ich breche nie ein Versprechen«, informierte Tante Margaret Sabrina selbstgefällig.
Sabrina setzte sich überrascht neben Tante Margaret auf die Sitzbank. »Du willst damit sagen, Großvater hat dir ein Geheimnis anvertraut, Tante Margaret?« fragte Sabrina zweifelnd.
»O ja, er war sehr besorgt, weißt du, obwohl ich nicht mehr so genau weiß, warum. Ich sollte ihn fragen, aber ich sehe ihn gar nicht mehr«, sagte Tante Margaret etwas verwirrt. »Wo er wohl hingegangen ist?«
Sabrina tätschelte ihr die Hand. Sie konnte es zwar kaum erwarten, daß sie mit ihrer Geschichte fortfuhr, aber sie wußte, daß Tante Margaret sich nie hetzen ließ. »Es geht ihm gut, Tante Margaret, jetzt erzähle aber weiter. Was hat er dir gesagt?«
Tante Margarets Augen wurden wieder klar, sie drückte den Gobelin fest an sich, dann sah sie sich um, um sicherzugehen, daß sie nicht beobachtet wurden, faltete das schwere Stück auseinander und breitete es über ihrer beider Schoß aus.
Sabrina war hingerissen von der bunten Szene, die mit Tausen-den winziger Stiche geschaffen worden war. »Oh, es ist wunderschön, Tante Margaret«, hauchte sie und konnte sich gar nicht satt sehen an dem exquisiten Stück.
»Schau es dir genauer an«, sagte Tante Margaret mit einem geheimnisvollen Lächeln.
Sabrina musterte den Gobelin, und ihr blieb vor Überraschung der Mund offenstehen, als sie die Szene darauf erkannte. »Das ist ja das Schloß und der Loch. Es ist wie eine Karte von den Highlands«, sagte sie erstaunt, dann schaute sie sich die kleinen Figuren rund um das Schloß an, und dieselben fünf Figuren, die auf einem Boot, auf einem See aus blauen Stichen dargestellt waren. Sabrina stockte der Atem. »Du hast unsere Flucht aus Schottland draufgestickt.« Sie studierte die Szene genauer, und mit jedem Ereignis dieses Tages, das auf dem Leinentuch dargestellt war, wurden ihre Augen größer. Mit einem Mal erinnerte sich Sabrina an die Worte, die vor all diesen Jahren ihr sterbender Großvater ihr so verzweifelt zugeflüstert hatte.
»Fäden, goldene Fäden«, murmelte sie vor sich hin und machte vor Schreck einen Satz, als Tante Margarets knochiger Finger auf die kleine Kirche aus weißem, mit Gold durchwirktem Faden zeigte.
Die Kirche,
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