Geliebte Suenderin
falsch, das hatte er gesagt, jetzt erinnerte sich Sabrina. Und dann sah sie die goldenen Stiche, die sich durch den Rand des Lochs zogen und dann durch graugestickten Felsen, bis sie in einem schwarzen Feld verschwanden und dann als dicker Goldklumpen in der äußersten Ecke wieder erschienen.
»O mein Gott«, rief Sabrina mit wachsender Erregung. »Es könnte der vergrabene Schatz sein, Großvaters Gold und alle Wertgegenstände des Schlosses und des Clans.« Sabrina schlug die Hände vors Gesicht und schüttelte traurig den Kopf. »All die Zeit, all die Jahre war es da. Du hast es all die langen Jahre in Verrick House gewußt, während ich gezwungen war zu rauben, um uns am Leben zu erhalten, und du hattest den Schlüssel zu allem in deinen Fingerspitzen. Oh, Tante Margaret, warum konntest du uns das nicht erzählen?« fragte Sabrina, hob den Kopf und stellte fest, daß Tante Margaret verschwunden war. Sie hatte das getan, worauf sie fünf Jahre lang gewartet hatte, und jetzt war sie nicht mehr daran interessiert.
Die Sinnlosigkeit des Ganzen, dachte Sabrina angewidert.
Tante Margaret traf keine Schuld, man konnte auch nicht böse auf sie sein, denn sie hatte getan, was Großvater ihr aufgetragen hatte. Er hatte das Geheimnis ihren geschickten Fingern anvertraut. Er wußte, daß, wenn etwas passieren würde, das Geheimnis immer sicher sein würde und auch nicht vergessen werden konnte, wenn es in einen Gobelin gestickt wurde, der es über Generationen hinweg bewahrte.
Und Tante Margaret hatte seinen Auftrag wörtlich genommen und nicht erkannt, wie sehr sie ihnen damals hätte helfen können. Sie hatte sicherlich eine Landkarte, die Großvater gezeichnet hatte, als Anleitung gehabt.
Sabrina musterte traurig den Gobelin. Wie anders wäre alles gekommen, wenn sie das Geheimnis des Gobelins gekannt hätten. Die bunten Fäden verschwammen in ihren Tränen.
»Sabrina?« fragte Richard besorgt, als er in den Salon kam und sie weinend mit dem Gobelin auf ihrem Schoß dasitzen sah.
Er setzte sich neben sie und legte ungeschickt den Arm um sie.
»Ich dachte, Lucien wäre fort?« fragte er in der Annahme, er wäre der Grund für Sabrinas Traurigkeit.
Sabrina hob den Kopf und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen ab. »Nein, ich halte nur dein Erbe in der Hand. Du bist wahrscheinlich sehr reich«, sagte sie mit einem nervösen Lächeln.
»Ich, reich?« fragte Richard ungläubig. »Weinst du deshalb?«
»Nein, nur die Vergangenheit hat mich kurz eingeholt, und ich habe sie gewähren lassen.«
»Ist das nicht Tante Margarets Gobelin?« fragte er plötzlich, nachdem er bemerkt hatte, was Sabrina da in Händen hielt, ganz feucht von ihren Tränen.
»Ja, das ist er«, erwiderte Sabrina und faltete ihn sorgfältig wieder zusammen.
»Sie wird böse sein, Sabrina, wenn sie herausfindet, daß du ihn angeschaut hast. Du weißt, daß sie niemand erlaubt, ihn anzufassen«, warnte Richard.
»Tante Margaret ist fertig damit, Richard, und ich bezweifle, daß sie sich noch daran erinnert. Sie hat ihn all diese Jahre für dich aufbewahrt, Richard. Er ist dein Erbe, Dickie.«
Richard runzelte die Stirn. »Ein Gobelin?« Er sah den Stoff neugierig an. »Warum sollte mir jemand ein Stück Gobelin schenken? Was sollte ich damit machen?«
»Er ist nur ein Teil deines Erbes, aber eigentlich der wichtig-ste Teil«, erklärte ihm Sabrina, »denn er ist der Schlüssel zu Großvaters vergrabenem Schatz. Er hat alles dir hinterlassen, seinem einzigen männlichen Erben, und um es vor den Engländern in Sicherheit zu bringen, hat er es in den Bergen vergraben.
Es ist alles da, von Tante Margarets geschickten Fingern einge-woben.«
Richard bekam ganz große Augen. »Meins? Großvater hat mir den Schatz hinterlassen? Ich hab’ nie geglaubt, daß er wirklich existiert. Ich habe immer gedacht, das wäre eine Geschichte, die du erfunden hast.«
Richard sprang aufgeregt auf. »Oh, Sabrina, ich bin reich!«
»Richard, bitte komm her«, rief Sabrina ihm zu, als er im Zimmer herumhopste. »Ich möchte dich nicht enttäuschen«, sagte sie sanft, als er sich zu ihr setzte, »aber es könnte auch nicht wahr sein. Es könnte ein Hirngespinst von Tante Margaret sein. Du weißt, wie sie ist. Du verstehst, daß du nicht damit rechnen solltest. Außerdem könnte ihn, nach all den Jahren, jemand entdeckt haben, und die Engländer waren bei ihren Plünderungen ziemlich gründlich.«
Richard konnte seine Enttäuschung nicht ganz verbergen, aber
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