Geliebte Suenderin
Camareigh und Rhea nie wiedersehen.
Lucien mußte inzwischen erfahren haben, daß sie fort war.
Würde er sich Sorgen machen oder sich fragen, was mit ihnen passiert war? Sie fragte sich, wo er jetzt wohl war und was er gerade machte.
Lucien trieb sein Pferd durch den Fluß, der ihnen den Weg versperrte, Wasser spritzte über die staubige Schwärze seiner Schaftstiefel und verwandelte die Oberfläche in kleine Schlamm-rinnsale. Er warf einen grimmigen Blick auf den grauen Himmel über sich und dann zu dem Mann, der schweigend neben ihm herritt. »Scheint denn die Sonne in diesem verfluchten Land nie?«
fragte er spöttisch grinsend.
Terence Fletcher lachte erschöpft. »Solange ich hier stationiert war, nie. Andere behaupten, es hätte schon sonnige Tage gegeben, aber ich habe noch keinen getroffen, der es miterlebt hat.«
Lucien dehnte seine Schultern. »Glaubst du, sie sind zum Schloß geritten?«
»Ich bin mir nicht sicher, aber ich würde drauf wetten«, sagte Terence mit ernster Miene. »Ich bete zu Gott, daß ich recht habe.«
»Warum ist Richard bloß nach Schottland abgehauen?« fragte Lucien wohl zum hundertsten Mal und fand immer noch keine Antwort.
»Es muß irgend etwas mit dem Schloß zu tun haben. Wir haben die Kutsche bis hierher verfolgt. Sie muß in Richtung Timere fahren. Das Schloß liegt in den Bergen darüber. Dort müssen sie sein. Sie haben höchstens noch einen Tag Vorsprung. Wenn wir nicht in diese Überschwemmung geraten wären, hätten wir sie längst eingeholt. Wir müssen drei Tage verloren haben«, beklagte sich Terence erbost. »Ich glaube, ich werde alt, diese Meilen kommen mir länger vor, die Berge höher und mein Rücken steifer.«
Lucien grinste mitleidig. »Ein Ausritt im Hydepark ist keine Vorbereitung für einen harten Ritt von mehreren hundert Meilen, da kann ich dich beruhigen.«
In den meisten Nächten war es ihnen gelungen, einen Gasthof zum Übernachten zu finden, aber heute abend waren sie gezwungen, unter freiem, aber wolkigem Himmel zu schlafen.
Lucien aß hungrig, wenn auch ohne Genuß seine Zuteilung der Ration und war dankbar für die Erfahrung des ehemaligen Colonels im Aufschlagen eines Lagers. Er hatte ihre Routen und die Mahlzeiten feldmarschmäßig geplant.
»Hier oben habe ich mich immer seltsam fehl am Platz ge-fühlt«, bemerkte Terence plötzlich von der anderen Seite des Feuers. »Ich kann mich erinnern, wie erleichtert ich war, als ich meine Order zurück nach England bekam. Ich habe immer das Gefühl, ich reite durch eine andere Zeit, wenn ich durch die Highlands reise. Selbst die Sprache ist anders.«
»Erzähl mir, wie du Sabrina das erste Mal begegnet bist«, bat ihn Lucien und zog sich zum Schutz gegen die kalte Nachtluft die Decke über die Schulter.
»Ich muß mich immer wieder über die Zufälle des Lebens wundern. Ich hätte mir nie träumen lassen, daß ich später einmal mit der Schwester des kleinen Mädchens verheiratet sein würde und dann hierher zurückkommen würde, um sie zu suchen oder sie vor irgendeiner unbekannten Gefahr zu retten.«
»Mary sagt, Sabrina hätte die Schlacht von Culloden mit angesehen«, sagte Lucien.
»Ich werde sie wohl immer als dieses kleine Mädchen vor mir sehen. Ihre violetten Augen haben vor Wut gefunkelt, ihre Wangen waren feuerrot, und ihr Mund hat gezittert«, sagte Terence leise. »Sie hat sogar mit einer Pistole auf mich geschossen, die fast so schwer war wie sie selbst.«
»Hört sich an wie die Sabrina von heute. Sie hat sich sehr wenig verändert«, bemerkte Lucien trocken.
»Ganz zahm wird sie nie sein, Lucien. Sie ist eine tempera-mentvolle kleine Stute und wird immer rebellisch sein«, warnte ihn Terence. »Aber genau das ist doch auch der Grund, warum du sie liebst?« fragte er. Das Gesicht des Herzogs war in der Dunkelheit nicht erkennbar, aber er hörte, wie ihm plötzlich der Atem stockte. »Nicht wahr, du liebst sie doch? Du warst nur zu dickköpfig, es zuzugeben.«
»Nicht zu dickköpfig, Terence, zu verunsichert. Ich habe mich vor langer Zeit in die kleine Hexe verliebt, aber als mir das endlich klar wurde, hatte ich bereits den schlimmsten Fehler meines Lebens begangen - Sabrina etwas vorgelogen und sie geheiratet. Glaubst du etwa, sie hätte mir geglaubt, wenn ich ihr, nachdem sie sich daran erinnert hatte, daß ich sie geheiratet hatte, um Camareigh zu erben, gesagt hätte, ich sei plötzlich in wirklicher Liebe zu ihr entflammt?« Lucien lachte verbittert. »Ich
Weitere Kostenlose Bücher