Geliebte Suenderin
den Zweigen störte ihre Gedanken. Inmitten des Dickichts lag ein kleiner, sonnenbefleckter Teich, tief und kalt, in dessen Oberflä-
che sich das Grün der Bäume und das Blau des Himmels spiegelten.
Sie streifte schnell ihr Kleid und ihre Unterkleider ab und glitt in die kühlen Tiefen des Waldteichs. Sie ließ sich auf dem Rücken treiben und starrte nach oben ins endlose Blau des Himmels, die sanfte Liebkosung des Wassers war wie die Hände eines Liebhabers auf ihrer Haut.
Wenn sie doch nur vergessen könnte - aber das konnte sie nicht. Ihr Körper war eine ständige Erinnerung an ihren Geliebten. Die verräterischen Gedanken überkamen sie jedesmal, wenn sie sich entspannte, obwohl sie sich wie eine Vergiftete in Haus-arbeiten stürzte, bis sie zu müde war zum Denken und ins Bett fiel, zu müde zum Träumen.
Aber jetzt kam die Erinnerung an Lucien, und sie wollte ihn bei sich haben. Wenn sie nur einen Augenblick in seine dunklen Augen schauen könnte, seinen harten Mund nur für eine Sekunde mit ihrem berühren könnte.
Sabrina drehte sich um und schwamm durch den Teich zu-rück, zerstörte seine Beschaulichkeit. Sie kletterte ans weiche, grasbewachsene Ufer und begrüßte zitternd die kühle Luft auf ihrer Haut. Sie reckte ihre Arme der Sonne entgegen, fast wie im Gebet, den Kopf hocherhoben, sog sie die Kraft und Energie des feurigen Gestirns in sich auf.
Schweigend stand sie so da, wie eine Kreatur des Waldes, mit ihren kleinen Brüsten und den vom kühlen Wasser gehärteten Knospen. Es rann in kleinen Rinnsalen über ihre schlanken Hüften und ihre Beine hinunter, die sie leicht gegrätscht in den kalten nassen Schlamm gestemmt hatte, wie Wurzeln zur Erde.
Der rauhe Schrei eines Raben zerstörte den Zauber, und Sabrina streifte sich zitternd ihre Kleider über. Der Zauber des Waldteichs hatte sie verlassen. Sie schlenderte zurück durch die Bäume zu der Stelle, an der ihr Pferd und ihr Wagen warteten. Sie führte sie durch die Brombeeren und wilden Blumen auf den Weg, der zur Straße führte. Sie hatte sich den Namen von Mrs.
Taylors Bruder in London geholt und einen Empfehlungsbrief von ihr. Jetzt blieb nur noch wenig zu tun, sie mußten nur nach London reisen.
Daheim in Verrick House, betrat Sabrina den Salon, durstig nach ihrem Tee und fand dort Mary, die einer Gestalt im scharlachroten Rock Kuchen servierte.
Sabrina blieb wie angewurzelt stehen, fing sich aber gleich wieder und ging mit freundlichem Gesicht weiter ins Zimmer.
Aber das Lächeln gefror ihr, als der Offizier sich erhob und sich zu ihr drehte, um sie zu begrüßen.
Colonel Fletchers höflicher Gesichtsausdruck verschwand, als er das Mädchen mit den rabenschwarzen Haaren, dem herzförmigen Gesicht und den violetten Augen, die ihm so vertraut waren wie die eigenen, auf sich zukommen sah. Er hatte keine Zweifel daran, wer sie war - und sie hatte ihn offensichtlich auch erkannt. Er sah es deutlich an den großen Augen voller Angst, die ungläubig sein Gesicht musterten.
»Sabrina, das ist Colonel Terence Fletcher. Meine Schwester, Lady Sabrina Verrick.« Mary stellte sie einander vor und merkte nicht die Spannung zwischen den beiden Leuten, die sich vermutlich zum ersten Mal begegneten.
»Es ist mir ein Vergnügen, Lady Sabrina«, sagte Colonel Fletcher ruhig. »Und ich muß sagen, diese Begegnung ist mir lieber als jene vor fünf Jahren. Ihr müßt zugeben, daß die friedliche Umgebung eines Salons wesentlich geeigneter für höfliche Konversation ist als ein Schlachtfeld.«
Sabrina zögerte kurz, während sie versuchte, sich zu sammeln, holte tief Luft und sagte: »Verzeihung, Colonel?« Sie warf ihm einen fragenden Blick zu und setzte sich grazil neben die verwirrte Mary. Sie goß sich eine Tasse Tee ein und sah dann den schweigenden Colonel an.
»Ich bezweifle ernsthaft, daß wir schon das Vergnügen hatten, uns zu begegnen - und schon gar nicht unter solch widrigen Umständen, wie Ihr zu denken scheint.« Sie lachte ungläubig.
»Meiner Treu, wie sollte ich denn auf ein Schlachtfeld kommen?«
Sabrina bemerkte, wie Marys Teetasse klapperte, ehe es ihr gelang, sie schnell auf dem Tisch abzustellen. Der Colonel hatte es auch gehört, denn als er sich setzte, sagte er beiläufig: »Hat Euch Eure Schwester nicht von unserem Treffen vor so vielen Jahren berichtet?«
Nach längerer Betrachtung des Angebots wählte er einen Kuchen und lehnte sich im Stuhl zurück, die Beine mit den glänzenden schwarzen Stiefeln lässig von
Weitere Kostenlose Bücher