Geliebte Suenderin
schuldbewußt: »Du bist immer noch böse auf mich. Ich fürchte, ich habe deine Liebe verloren, mein Junge, aber ich bin entschlossen, dafür zu sorgen, daß die zukünftigen Herzöge von Camareigh all das erben, was deine Ahnen aufgebaut haben. Ich werde nicht zulassen, daß die Linie ausstirbt. Ich will nicht, daß ein Rathbourne durch die Hallen von Camareigh geht, aber Percy hat zumindest Kinder, und unser Blut wird in ihnen weiterleben«, sagte sie verbissen, dann richtete sie den Blick auf Lucien, und ihre Augen wurden ganz liebevoll. »Aber es wäre mir lieber, wenn es deine Kinder wären, Lucien. Wenn es nach dir ginge, würdest du nie heiraten, und ich war verzweifelt, daß du sterben würdest, ehe ich dafür gesorgt hatte, daß unser Name und unser Titel weiterlebt.«
»Euer größter Wunsch wird in Erfüllung gehen, Grandmère«, erwiderte Lucien ruhig, »und ich werde Camareigh haben, aber verlangt nicht, daß ich Euch vergebe.«
Der Mund der Herzogin zitterte, als sie ganz leise sagte: »Ich hatte nie einen vollkommenen Sieg über dich erwartet, Lucien.
Ich habe gewußt, daß ich auch etwas dabei verlieren muß.«
Lucien wandte sich von seiner Großmutter ab. Ihr Gesicht war so müde und faltig, aber trotzdem noch so lebendig und ein Spiegel ihrer Gefühle. Er fühlte sich schuldig, aber erwehrte sich dagegen, vermutend, daß es wahrscheinlich wieder eine ihrer Machenschaften war, um ihn unter ihre Knute zu bringen. Er kannte sie zu gut, um auf ihr angeblich gebrochenes Herz hereinzufallen. Er drehte sich um und ertappte die Herzogin dabei, wie sie ihn verstohlen beobachtete, mit einem Lächeln auf den Lippen, das schnell verschwand, als er sich ihr zuwandte.
»Ich glaube, wir kennen uns inzwischen beide sehr gut.
Schließlich und endlich bin ich Euer Enkel, Grandmère.«
Es klopfte an der Tür, und der Majordomus meldete Besucher.
Die Herzogin lächelte boshaft. »Führt sie rauf.«
Lucien ging zum Kaminsims und starrte sich in dem großen Spiegel, der darüber hing, an.
»Wenn ich ein hübsches, junges Ding wäre, dann fände ich deine Narbe ganz faszinierend, Lucien«, bemerkte die Herzogin, als sie sah, wie er mit dem Finger darüber strich.
Lucien lächelte ihr im Spiegel zu. »Ah, Madame, aber Ihr seid eine Frau voller Elan und Abenteuerlust, und, wie Ihr selbst schon sagtet, von diesem Kaliber gibt es heutzutage nur noch wenige Frauen.«
Die Herzogin lachte, als der Majordomus Lord Percy Rathbourne und seine Schwester, Lady Katherine Anders, ins Zimmer führte. Ihr freudiges Begrüßungslächeln verblaßte, als sie die lässig gekleidete Gestalt ihres Cousins am Kamin lehnen sahen, der sich offensichtlich ganz zu Hause fühlte.
»Lucien«, begrüßte Percy ihn knapp mit säuerlichem Gesicht, dann zwang er sich zu lächeln, drehte sich zur Herzogin und sagte strahlend: »Liebe Großmama, Ihr seht heute wieder ganz bezaubernd aus.«
»Mumpitz! Ich bin alt und verschrumpelt, aber eine Närrin bin ich noch nicht, also kannst du dir sparen, mir Honig um den Mund zu schmieren.«
Percy errötete und wandte sich verwundert zu Lucien. »Ich bin überrascht, dich hier zu sehen. Ich dachte, die Herzogin und du, ihr sprecht nicht miteinander.«
»Oh, es gelingt uns ab und zu, einen Waffenstillstand auszuru-fen, sehr zu deiner Enttäuschung, was, Percy?« frage Lucien ironisch.
»Warum sollte uns das etwas ausmachen?« bemerkte Kate und setzte sich, ihr perfektes Profil im richtigen Winkel, damit Lucien es bewundern konnte.
»Du siehst wie immer bezaubernd aus, Kate«, sagte Lucien.
Sie nickte zufrieden. »Schade, daß es nur äußerlich ist«, fügte er hinzu, was ihr das Lächeln wieder gefrieren ließ.
Lucien beobachtete, wie die blaßblauen Augen schmal vor Bosheit wurden. Ihr Gesicht war geradezu unglaublich perfekt, wie das eines Engels. Ihr silberblondes Haar und die durchsich-tige Haut gaben ihr etwas geradezu Ätherisches, das aber die diamantene Härte ihrer Augen Lügen strafte. Percy stellte sich hinter sie. Sein Gesicht war genauso fein geformt wie ihres, sein silberblondes Haar unter einer Perücke versteckt. Der einzige Unterschied waren Percys sherryfarbene Augen. Zwillinge, die ihm wie ein Wesen gegenüberstanden. So war es schon gewesen, als sie noch Kinder waren. Kate und Percy hatten sich immer gegen ihn verbündet. Sein Glück war nur, daß er immer größer als sie gewesen war und sich normalerweise wehren konnte. Nur einmal war es ihnen gelungen, ihn zu überrumpeln,
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