Geliebte Suenderin
Läusen verpestet ist, lebst wie in einem Schweinestall, bei trocken Brot und Wasser. Du bist natürlich als Dieb in der Verbrecherwelt bewandert? Du hast von dem Brauch ›Zahlen oder Ausziehen‹ gehört? Die anderen Insassen verlangen, daß du ein Eintrittsgeld bezahlst, wenn du deine Kleider behalten willst. Schade, daß du das notwendige Geld nicht hast, denn sie werden dir die Kleider vom Leib reißen.« Lucien beschrieb die Szene bis ins letzte Detail, trotz Sabrinas geschocktem Gesicht und Marys, die schneeweiß am Bettpfosten lehnte.
»Und solltest du die Gefangenschaft überleben, erwartet dich der Galgen von Tyburn, oder vielleicht hast du Glück und stirbst am Fieber. Ich glaube, daran sterben die meisten. Kein sehr hübsches Leben, nicht wahr, Sabrina?« fragte Lucien leise, zufrieden mit der Wirkung, die seine Schilderung auf die beiden jungen Mädchen hatte. »Ich glaube, ein Leben mit mir wird weder so anstrengend noch so gefährlich sein, Sabrina.«
Er wandte sich ab und ging ohne Eile in Richtung Tür. »Wirklich ironisch, wie sich die Dinge entwickeln. Wer hätte gedacht, daß ich einen Straßenräuber heiraten werde, der mich mit blan-kem Schwert bedroht hat?« Seine sherryfarbenen Augen glitten langsam über die beiden Gestalten, und er blieb an der Tür stehen. »Ich hoffe doch sehr, daß ihr nicht so dumm seid und irgendeinen idiotischen Plan ausheckt, um mich daran zu hindern? Es ist zu spät, dein Vater hat eingewilligt, und alle Arrangements werden getroffen. Füge dich in deine Niederlage, Sabrina, denn ich kann dir versprechen, es wird nicht so schlimm, wie du denkst.«
Sabrina starrte die Tür an, nachdem sie sich hinter Luciens breitem Rücken geschlossen hatte, ihre violetten Augen waren düster und grüblerisch. Sie legte eine Hand an ihre bebenden Lippen, unfähig zu glauben, was sich da gerade abgespielt hatte.
Mary erhob sich und sah Sabrina fragend an. Sie sah aus wie ein kleines Kind, das gerade grausam und ungerecht bestraft worden war.
»Rina«, begann sie zögernd, »du wirst dich ihnen doch nicht in den Weg stellen, oder?«
Sabrina sah sie mit leerem Blick an. Ihr Gesicht war zu einer Maske gefroren, aus der jedes Gefühl verschwunden war, nicht nur der Haß und die Verzweiflung, sondern auch die Sanftheit und Unschuld. Mary hatte das Gefühl, einer Fremden gegen-
überzustehen.
»Ich gehe heim nach Verrick House«, sagte sie mit stumpfem Blick. »Ich werde dem Marquis so viel Geld besorgen, wie er haben will, aber Lucien werde ich nicht heiraten. Er wird jemand anders finden müssen, der ihm hilft, sein Erbe zu kriegen, aber ich hoffe, es gelingt ihm nicht, ich hoffe, er verliert es«, fügte sie giftig hinzu, dann schaute sie mit wilden Augen Mary an. »Laß den Marquis nie wieder in meine Nähe, Mary, oder ich schwöre, ich werde ihn ohne jede Reue töten.«
Dem kleinen Funken folgt eine riesige Flamme.
Dante Alighieri
KAPITEL 10
Die drei Pferde scharrten ungeduldig in der weichen Erde, während ihre Reiter geduldig auf das Geräusch knarzender und rumpelnder Kutschenräder entlang der dunklen Straße warteten.
»Müßten bald kommen, Charlie«, flüsterte Will, als ein Strahl silbrigen Mondlichts die drei erfaßte, die still neben der Straße auf ihren Pferden saßen.
»Die haben heute nachmittag im Faire Maiden reichlich getrunken und geredet. Heute abend erwarten sie bei Lord Newley Gäste.«
»Wir werden sie zuerst begrüßen«, erwiderte Sabrina mit einem grimmigen Lächeln. Ihre Augen blitzten aus der Maske beim Geräusch einer nahenden Kutsche. »Auf die andere Stra-
ßenseite, John«, befahl sie hastig und zog dann ihr Pferd unter die überhängenden Äste zurück, gerade als der Sechsspänner um die Kurve bog. Sie hörte, wie der Kutscher sein Gespann anfeu-erte und das Krachen der Peitsche, bis er den gefallenen Baum über der Straße sah und die Pferde bremste.
Die beiden Vorreiter standen jetzt vor dem Baum und mußten plötzlich feststellen, daß vier Pistolenläufe auf sie gerichtet waren. Sie ließen rasch ihre Waffen fallen und stiegen ab. Will trieb sie von der Straße weg und ritt mit dem Pferd einmal um sie herum, wobei er sie mit einem Stück Schnur an einen Baum fesselte.
Die Kutsche blieb nur wenige Meter vor dem gefallenen Baum stehen, der Kutscher rief Hilfe herbei, aber inzwischen war John mit der Nachhut ähnlich verfahren, und der Kutscher starrte ratlos in den Lauf von Sabrinas Pistole.
»Waffen weg, Kutscher«, befahl
Weitere Kostenlose Bücher