Geliebte Suenderin
umgestürzten Felsbrocken vorbei, der den Eingang schützte, und durch das Gebüsch, das davor wucherte.
Will und John hatten sich in der Zwischenzeit vermutlich auch vor den Soldaten in Sicherheit gebracht und waren am Treffpunkt im Moor eingetroffen. Sabrina stieg lächelnd auf ihr Pferd und ritt auf die Bäume zu, die Satteltaschen voller Geld. Männer sind manchmal solche Idioten, dachte sie verächtlich. Vor lauter männlicher Selbstgefälligkeit unterschätzten sie die Frauen und hielten sich selbst zum Narren.
Inzwischen hatten sie damit begonnen, bei Tageslicht zu rauben, ein gefährliches Unterfangen, aber sie kämpfte gegen die Zeit, und schon bald würde jemand kommen, und dann wollte sie in der Lage sein, soviel Geld wie möglich aushändigen zu können. Will und John hatten keine Sekunde gezögert, als sie sie bescheiden bat, ihr noch einmal zu helfen. Sie hatte die beiden nur ungern wieder mit hineingezogen, aber ohne sie hatte sie keine Chance, und es war ja auch nur für eine begrenzte Zeit.
Schon bald würden sie wieder ein normales Leben führen, beschwichtigte sie sich, während sie durch die einsame Finsternis ritt.
Am folgenden Morgen stand Sabrina gerade in der Halle, als Richard ihr von oben zurief: »Da bist du ja! Ich dachte schon, ich hätte dich verpaßt.« Er hüpfte die Treppe herunter. Sein ganzes Benehmen hatte sich seit seiner Rückkehr völlig verändert. »Mr.
Teesdale sagt, meine Gedanken wandern, deshalb hat er mich früher entlassen.«
»Also«, begann er schüchtern, »der Jahrmarkt fängt heute an, Rina, und ich hatte irgendwie gehofft, daß du vielleicht mit-kommst?« Er sah sie voller Hoffnung und ganz aufgeregt an.
»Ich weiß natürlich, daß du sehr viel zu tun hast und so, wenn wir also nicht gehen können, dann versteh’ ich das schon«, sagte er tapfer, aber die Enttäuschung schwang in seiner Stimme.
»Wer hat gesagt, daß wir nicht gehen?« fragte Sabrina fröhlich.
»Jetzt lauf und frag Mary, ob sie mitkommen will, ich gehe inzwischen meinen Hut holen.«
»Oh, ist das dein Ernst, Rina?« Richard machte vor Freude einen Luftsprung.
»Aber natürlich. Komm jetzt, beeil dich, wir wollen nichts verpassen.«
Richard lief los und rief laut nach Mary. Sabrina stieg die Treppe hoch, mit hängenden Schultern vor lauter Müdigkeit. Sie hatte Schwierigkeiten mit dem Schlafen, und die ruhelosen Nächte hatten zarte lila Schatten unter ihren Augen hinterlassen.
Sie stellte sich vor den Spiegel, setzte einen großen, breitkrempi-gen Strohhut auf und band ihn mit grasgrünen Bändern, die zu ihrem Kleid paßten, unter dem Kinn fest. Dann knotete sie lässig die Enden eines großen rosefarbenen Seidentuches, das sie dia-gonal gefaltet und um die Schulter gelegt hatte, zusammen, um ihr Dekollete etwas zu bedecken. Der Schal hatte dieselbe Farbe wie ihr gesteppter Unterrock und die Rosen, mit denen ihr Kleid bestickt war. Sabrina glättete die Falten und genoß das Gefühl der Seide unter ihren Händen. Mit einem energischen Hüft-schwung packte sie ihre Handtasche und rauschte aus dem Zimmer. Es war ein schönes Gefühl, sich endlich mal wieder richtig anzuziehen - Männerhosen zeigten zuviel. Sie genoß das Rascheln der Seide und den weichen Stoff ihrer Unterröcke beim Gehen.
Mary und Richard warteten bereits in der Halle, als Sabrina die Treppe herunterkam.
»Ich habe Richard gesagt, wir werden ein wachsames Auge darauf haben, was er ißt«, sagte Mary. »Erinnerst du dich noch an die Bauchschmerzen, die er letztes Jahr nach dem Jahrmarkt hatte?«
»Ach, Mary, es macht doch keinen Spaß, wenn man nicht essen kann, was man will. Bitte«, bettelte Richard. »Ich habe auch einen Haufen Geld gespart!«
»Wir werden sehen«, erwiderte sie und zwinkerte Sabrina zu, die unverhohlen grinste. Sabrina war in den letzten Tagen so einsilbig gewesen, so verzweifelt, so durchsichtig, daß Mary das Gefühl hatte, sie würde bald zerbrechen. Wenn doch nur nicht diese schreckliche Angst und Ungewißheit wie ein Damoklesschwert über ihnen hängen würde.
»Wir gehen zum Jahrmarkt, Sims«, verkündete Mary fröhlich dem Butler, der ihnen die Tür aufhielt.
»Ja, Lady Mary«, stimmte Sims mit stoischer Ruhe zu, als sie an ihm vorbeigingen.
»Ich bring’ dir ein Stück Kuchen mit, Sims«, versprach Richard über die Schulter und stieg in den Wagen.
Sims nickte, und seine Augen lächelten, als er die Tür hinter dem fröhlichen Trio schloß.
Sie fuhren schnell die Straße
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