Geliebte zweier Welten: Roman (German Edition)
und was geschmacklose Scherze waren. Denn dieser war nicht im Entferntesten witzig gewesen. Gorka hatte sie niemals mehr angeschaut.
Oder wie an dem Tag, an dem … Klopf, klopf .
Eileen stand von ihrem Stuhl auf und öffnete die Tür. Ein junger Mann von etwa dreißig Jahren, etwas größer als sie, blond mit großen dunklen Augen, lächelte sie an. Er wartete darauf, hereingebeten zu werden.
»Schönen guten Abend, Eileen«, grüßte er sie freundlich.
»Hallo, Víctor, komm rein.« Sie trat zur Seite und ließ ihn eintreten. »Du bist heute früh dran«, sagte sie lächelnd.
»Ja.« Er stellte den schwarzen Koffer auf einem der Nachttische ab. »Heute habe ich es glücklicherweise geschafft, dem Feierabendverkehr zu entkommen«, erwiderte er schmunzelnd.
In Barcelona war es unmöglich, zu den Stoßzeiten durch die Stadt zu fahren, ohne sich mindestens eine Dreiviertelstunde in eine Autokolonne einreihen zu müssen.
Eileen setzte sich auf das Bett und streckte ihm ihren linken Arm entgegen. Sie machte diese Geste jeden Abend, seit sie sieben Jahre alt war, und es lief völlig automatisch ab. Alles ging sehr ungezwungen vonstatten, und sie fühlte sich nicht unbehaglich. Er genauso wenig.
»Wie ist es dir heute so gegangen?«, fragte er, als er das Blutdruckmessgerät aus dem Koffer holte. Erwartungsvoll sah er sie an.
»So wie immer. Wunderbar.«
»Keine Übelkeit, kalter Schweiß oder Kribbeln?«
»Gar nichts.« Sie schüttelte verneinend den Kopf, wobei ein paar pechschwarze Strähnen über ihre Schläfen fielen.
Víctor verfolgte ihre rebellischen Strähnen mit dem unaufhaltsamen Wunsch, diese hinter ihre Ohren zu streichen. Er räusperte sich und konzentrierte sich dann wieder auf seine Arbeit.
»Das ist gut«, sagte er mit rauer Stimme.
Eileen hob die Augenbrauen und sah ihn schräg an. Sie war nicht dumm. Sie wusste ganz genau, was sie in Männern auslöste, und Víctor, auch wenn er sich Mühe gab, sich nichts anmerken zu lassen, war nicht immun gegen ihre Reize. Es war nicht ihre Absicht, seine Aufmerksamkeit zu erregen. Das war es noch nie gewesen. Aber sie wusste, dass sie es dennoch tat.
»Das ist schon von jeher so«, versuchte sie ihn zu beruhigen. »Dank dir habe ich meinen Diabetes perfekt im Griff. Meine Ernährung ist ausgeglichen und fettarm. Ich mache täglich Sport, und jeden Abend bekomme ich meine Insulinspritze. Mehr Überwachung geht gar nicht, glaubst du nicht?« Jeden Abend dieselben Fragen und dieselben Antworten.
»Das kann man nie wissen, Eileen.« Er führte das blaue Band um ihren Arm herum und zurrte es fest. Er sah auf das Messgerät und lächelte zufrieden. »120/80. Es geht …«
»Es geht mir gut. Habe ich dir doch heute schon gesagt, so wie immer, oder?«
Víctor schüttelte den Kopf, gleichzeitig darum bemüht, ihr nicht zuzustimmen. »Der Diabetes kann manchmal ganz schön launenhaft sein.«
»Glücklicherweise nicht bei mir. Ich glaube nicht, dass andere genauso intensiv wie ich überwacht werden.«
Er sah ihr unumwunden in die Augen, sagte aber nichts.
Eileen blickte ihn unbehaglich an und versuchte sogleich, seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu lenken. Er erwachte aus seinem Bann und holte das Zuckermessgerät aus seinem Arztkoffer.
»Gib mir deinen Zeigefinger.« Er griff nach ihrer Hand.
»Nein, stich mich in einen anderen.« Sie überließ ihm ihren Mittelfinger. »Der hier tut schon ziemlich weh.«
Alle zwei Wochen wechselten sie zu einem anderen Finger. Wegen des Zuckermessgeräts wurde sie unbarmherzig durchlöchert.
Víctor nahm einen dicken roten Bluttropfen, der aus der Fingerkuppe hervortrat, und gab ihn auf einen weißen Streifen, der in dem digitalen Apparat einrastete.
»Dein Glukosewert ist normal«, sagte er mit einem Blick auf die digitale Anzeige des Messgeräts. »Sehr gut.« Er verstaute die Geräte in seinem Koffer und holte eine Ampulle und eine Spritze hervor. Er drückte die Nadel in das Behältnis und zog die Flüssigkeit auf. Mit etwas Druck des Daumens und leichtem Klopfen auf die Spritze entfernte er die Luft aus der Spritze.
Eileen kniff die Haut ihres rechten Beines mit den Fingern zusammen und hoffte, dass Víctor die Spritze in dem bisschen Haut versenken konnte, das sie dazwischen festhielt. Sie hatte so durchtrainierte Beine, dass ihre Haut überall straff war. Die Schwimm-, Selbstverteidigungs- und Spinningkurse waren für ihre kräftige Muskulatur verantwortlich.
Er fuhr mit einem Wattebausch darüber und
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