Geliebte zweier Welten: Roman (German Edition)
hatte.
Mikhail liebte sie nicht. Trotzdem behandelte er sie, als wäre sie sein Besitz. Er hatte ständig Leute auf sie angesetzt, die sie überwachten, aber sie war geschickt genug, diese Überwachung zu bemerken. Er verfolgte jeden ihrer Schritte, überprüfte ihre Telefonanrufe, ihre E-Mail-Accounts … und versuchte noch nicht einmal, es wirklich zu vertuschen.
Nein, ihr Vater liebte sie nicht wie eine Tochter, aber sein manisch-besessenes Verhalten ihr gegenüber war auch nicht normal. Sie würde alles tun, um ihm zu entkommen. Alles, was dafür nötig wäre. Nach dem Johannisfest würde sie abhauen.
Mit diesem Gedanken und während sie beobachtete, wie der Regen auf die Fenster spritzte, ging sie ins Bett. Sie drückte auf den Schalter der Sprechanlage, die in die Wand eingelassen war.
»Daniel«, sagte sie ins Mikrofon.
»Ja, bitte«, ertönte eine Stimme.
Daniel war der Sicherheitswächter am Eingang.
»Ist Víctor bereits gegangen?«
»Ja, er hat soeben das Gelände verlassen.«
»Gut, danke.«
Sie ließ den Schalter der Sprechanlage los und beendete das Gespräch. Dann rückte sie sich das Kissen zurecht und starrte an die Decke ihres Zimmers. Eine plötzliche sanfte Müdigkeit übermannte sie, zwang sie, die Augen zu schließen. Ein angenehmes Kribbeln lief durch ihre Beine und Arme und ließ sie unvermittelt bleiern werden. Von einem Atemzug zum nächsten fiel sie in einen tiefen Schlaf, der schon fast an Bewusstlosigkeit grenzte. Wie jede Nacht war sie sofort eingeschlafen.
Die Villa war fast völlig in Dunkelheit getaucht. Nur noch wenige Lichter waren eingeschaltet, und anhand dieser wusste er, um welche Zimmer es sich handelte. Starker Regen setzte ein, aber Caleb störte sich nicht daran, nass zu werden.
Er konnte es nicht glauben, dass er nach siebzehn Jahren endlich den Tod seines besten Freundes, Thor, würde rächen können. Und noch weniger verstand er, warum alle und jeder seiner Schritte, um den Mörder zu überwältigen, ihn in die Gegend des Tibidabo, in den Bergen von Collserola bei Barcelona, geführt hatte.
Barcelona war kein Ort, an dem die Seinen regelmäßig verkehrten. Es war eine wunderschöne, bezaubernde, kosmopolitische Stadt, die sich der Kultur, der Muse und dem Vergnügen verschrieben hatte. Doch soweit er wusste, handelte es sich um keine Konklave der Vanir. Das Licht und das tägliche Leben in dieser Stadt mussten für einen wie ihn sehr ungemütlich sein.
Wahrscheinlich war genau das der Grund, warum dieser Hurensohn von Mikhail sein Heim hier eingerichtet hatte. Man würde ihn in dieser Umgebung nicht verfolgen können, zumindest nicht über sehr lange Zeit. Aber er würde nicht lange hier sein. Er würde eindringen, ihn befragen und zerstückeln – ehe man bis drei zählen konnte. Er würde ihn leiden lassen und genau dort treffen, wo es ihn am meisten schmerzte.
Die Villa, die vor ihm lag, war ein von Kiefern umgebener Palast, eingerahmt von einem beeindruckenden Garten. Die Steinfassade war mit sehr originellen farbigen Inschriften versehen, ohne deswegen überladen zu wirken.
Er bemerkte, dass die Fassade im Osten zwei Türme hatte. Einer dieser beiden Türme müsste das Schlafzimmer seines nächsten Opfers sein.
In der Tat, dort stand sie, kalt und distanziert und unglaublich schön. Wie konnte etwas so Schönes so viel Schlechtes in sich bergen? Er war ihr noch nie näher als einen Meter gekommen. Trotzdem, diese Pose, diese Haut, die den Eindruck vermittelte, sanft und süß im Geschmack zu sein, und diese Silhouette konnten keinen Zweifel zulassen. Sie war zum Anbeißen schön. Zum Anbeißen schön, aber mit giftigem Inhalt.
Als sie vom Fenster wegtrat, sah sich Caleb mit seinen leuchtend grünen Augen um und überlegte, wie geisterhaft dieses Haus wirken würde, wären da nicht die bläulichen und gelblichen Strahler, die es beleuchteten. Die Gemetzel und Experimente der Angehörigen seiner Rasse mussten Mikhail sehr viel Geld beschert haben, zumindest ließ der erste Blick auf seine Behausung das erahnen.
Seine Tochter Eileen und er waren reich geworden. Sie war die Ansprechpartnerin für Kunden im Ausland in der Firma und stand in Kontakt mit allen Lieferanten. Sie kümmerte sich darum, die erforderlichen Geräte ebenso wie Werkzeuge und Medikamente zu bestellen, um die Untersuchungen an den Angehörigen seines Klans durchzuführen. So wie sie es mit seinem Freund gemacht hatten.
Tatsächlich wusch Eileen ihre Hände in Unschuld, denn sie
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