Geliebter Barbar
unsinnige Verletzlichkeit hinwegzukommen, denn wahrscheinlich würde er schon aus der Fassung geraten, wenn sie nur dieses Wort benutzte. Also faßte sie sich in Geduld und dachte sich ihren Teil.
Gelfrid fand heraus, daß sie gut mit Nadel und Faden umgehen könnte, und schleppte umgehend einen ganzen Korb mit Kleidung an, die ausgebessert werden mußte. Graham wollte da nicht nachstehen und gab ihr die seine auch.
Judith hatte drei Stühle mit hohen Lehnen und weicher Polsterung in die Halle getragen und sie im Halbkreis vor den Kamin gestellt. Die Polster waren natürlich mit den Maitland-Farben bezogen.
Nach dem Essen setzte sie sich gewöhnlich auf einen der Stühle und holt ihr Nähzeug hervor, während sie der Unterhaltung am Tisch folgte. Oft fragte Graham sie nach ihrer Meinung und nickte meistens zustimmend, wenn sie ihre Ansichten dargelegt hatte. Wenn eine offizielle Versammlung stattfand, verließ sie jedesmal den Saal, weil ihr klar war, daß Iain es zu schätzen wußte, sie nicht erst darum bitten zu müssen.
Judith stellte fest, daß sie den beiden alten Männern Graham und Gelfrid so guttat, daß sie sich ihrerseits Mühe gaben, ihr Gefallen zu erweisen. Eines Morgens sprach sie darüber, wie schön sie es fände, wenn die kargen Steinwände mit farbigen Bannern geschmückt wären. Sofort gingen Graham und Gelfrid in ihre Zimmer und kamen mit wunderschönen Seidenbannern zurück, die einst in ihren Häusern gehangen hatten.
Helen half, die Tücher aufzuhängen. Sie war schon jetzt ein willkommener Zuwachs im Haushalt. Mit Judiths Hilfe und Beistand regelte sie den Küchenbetrieb und verwandelte die Festung in ein anheimelndes Zuhause für alle. Der Duft der Gewürze, gemischt mit dem Geruch frisch gebackenen Brotes, zog nun täglich durchs Haus und entlockte Graham und Gelfrid zufriedene Seufzer.
Der erste Sonntag, der als Ruhetag deklariert war, brachte nicht das, was Judith sich vorgestellt hatte. Die meisten Frauen kümmerten sich nicht um den Vorschlag, ihre Arbeit beiseite zu legen. Judith ließ sich dennoch nicht beirren. Sie wußte, wenn sie die Kinder nach draußen locken konnte, würden auch die Frauen kommen. Also dachte sie sich Spiele für die Kleinen aus und schickte Andrew durchs Dorf, um an jeder Tür zu verkünden, daß am nächsten Sonntag ein Fest für die Maitland-Kinder gefeiert würde.
Es war ein voller Erfolg. Die Mütter ließen alles stehen und liegen, nur um ihren Kindern bei den Spielen zusehen zu können. Judith hatte das erwartet. Was sie nicht erwartet hatte, war die Anwesenheit der Männer. Manche kamen aus bloßer Neugier, andere wollten ihren Sprößling begutachten. Helen übernahm die Verpflegung, und andere Mütter halfen ihr bereitwillig. Tische wurden nach draußen getragen und bogen sich bald unter Obstkuchen, Brot und Marmelade und deftigeren Leckereien wie gesalzenem Lachs, geräuchertem Lamm und Geflügel.
Es gab nur einen unangenehmen Augenblick an diesem Tag. Ein elfjähriges Mädchen namens Elizabeth gewann den Wettbewerb im Bogenschießen. Sie schlug alle, sogar dreizehnjährige Jungen. Niemand wußte, was zu tun war. Wenn man dem Mädchen zujubelte, wäre das doch eine Demütigung für die älteren Jungen. Judith war sich nicht sicher, wie sie mit dieser delikaten Situation umgehen sollte. Glücklicherweise kam Iain gerade dazu, als der Wettbewerb zu Ende war. Judith ging zu ihm, gab ihm eines der hübschen kleinen Banner, die sie für die Sieger gemacht hatte, und bat ihn, den Preis zu überreichen. Sie sagte ihm nicht, wer gewonnen hatte.
Ihr Mann wußte nichts, bis er auf die Zielscheiben sah. Ihm war es jedoch egal. Er lobte Elizabeths Geschicklichkeit, während er ihr das Fähnchen an ihr Plaid heftete. Die Eltern des Mädchens kamen heran. Und der Vater erzählte lautstark, daß er dem Kind das Bogenschießen beigebracht hatte und sie schon von klein auf dafür besonders begabt war.
Judith verbrachte den größten Teil des Tages damit, so viele Clansmitglieder wie möglich kennenzulernen. Sie sah Agnes zweimal, aber immer, wenn sie Anstalten machte, die Frau zu begrüßen, wandte ihr die Hebamme demonstrativ den Rücken zu und ging in die andere Richtung. Nach dem dritten vergeblichen Versuch gab Judith es auf.
Frances Catherine saß auf einer Decke auf dem Hügel und sah den Spielen zu. Judith kam zur Mittagsmahlzeit zu ihr. Andrew lief ihr hinterher, und erst als sie sich zu ihrer Freundin gesetzt hatte, entdeckte sie, daß alle anderen
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