Geliebter, betrogener Mann
Gebiete. Ich glaube nicht, daß wir hier länger als vierzehn Tage sind.«
Oberst Nam Ngoi Phu legte den Kopf etwas zur Seite. Er verstand zwar nichts, aber ein unheimlicher Instinkt ließ ihn ahnen, was Heidkamp dachte.
»Ich würde vorsichtig sein, Sir«, sagte er leichthin. »Meine Soldaten mögen unaufmerksam werden – die Tiger in dieser Gegend sind es nie. Ohne Waffen ist ein Mensch hier verloren, und bis zur nächsten Siedlung müßten Sie acht Tage durch den Dschungel. Unsere Tiger sind hungrig, Sir.«
»Das war deutlich, Chef.« Hans Heidkamp trat aus dem Gischt zurück, hielt sich an einigen starken Luftwurzeln fest und zog sich auf das trockene Uferplateau zurück. Oberst Nam Ngoi Phu und Pohland folgten ihm. Einige Soldaten halfen ihnen, sich an den Umhängeriemen der Maschinenpistolen emporzuziehen.
»Was machen wir jetzt zuerst, Oberst?« fragte Pohland und sah wieder zu dem riesigen Wasserfall.
»Wir fangen an, als wollten wir die Welt erschaffen.« Nam Ngoi Phu grinste freundlich. Er machte eine den Wasserfall, den Dschungel, die Felsen und das Plateau umfassende Armbewegung und nickte dabei mehrmals. »Es ist der Wille des Generals, daß wir hier ein Dorf bauen – also fangen wir damit an.«
»Ein Dorf? Woher wollen Sie das Material bekommen?«
Oberst Nam Ngoi Phu steckte sich eine Zigarette an. Es ging schwer, denn die Streichhölzer waren feucht geworden. Erst als die Zigarette brannte, gab er Antwort.
»Es wird alles herbeigeschafft, Sir.«
»Und wie? Hier gibt es doch keine Straßen.«
»Aber Menschen!«
»Es ist unmöglich, ein ganzes Dorf auf dem Rücken heranzuschleppen.«
»Bei uns ist alles möglich, Sir.«
»Mit anderen Worten: Es kommt gar nicht darauf an, wie viele Träger dabei krepieren.«
»Sie sehen das falsch, Sir. Der asiatische Mensch ist es gewöhnt, Opfer zu bringen. Er weiß, daß sein Körper nur ein Baustein ist. Das unterscheidet ihn von Ihnen, den Europäern, die mit ihren Leibern kein Haus bauen, sondern es nur bewohnen wollen. Ich glaube, Sir, diese Einstellung wird einmal das Gesicht unserer Welt verändern.«
»Gut. Ein Dorf.« Hans Heidkamp sah neidisch auf die brennende Zigarette zwischen den Lippen Nam Ngoi Phus. »Aber wie sollen wir hier arbeiten? Soll ich mit den Fingern die Pläne in den Sand malen? Chef, fragen Sie den Knaben mal, wie er sich das denkt, und ob er eine Zigarette übrig hat.«
»Dr. Heidkamp fragt, wie es mit seinem Material ist«, übersetzte Pohland. »Außerdem hat er Appetit auf eine Zigarette.«
»Aber gern!« Oberst Nam Ngoi Phu hielt Heidkamp ein goldenes Etui hin. Der Ingenieur nahm sich eine Zigarette heraus und sah erstaunt, daß der Tabak mit grünen, geschnittenen Blättern vermischt war. Schon nach dem ersten kräftigen Zug atmete Heidkamp tief auf, wurde ein wenig blaß und warf die Zigarette weit weg zwischen die Steine.
»Der will mich vergiften«, keuchte er. Nam Ngoi Phu hob lächelnd die Schultern und rauchte genußvoll weiter.
»Wir mischen ein Blatt unter den Tabak«, erklärte er Pohland, »das die Eigenschaft des Marihuana hat, nur schwächer und den Körper nicht lähmend, sondern belebend. Wer es nicht kennt, dem verursacht es zunächst Übelkeit. Aber später gewöhnt man sich daran.« Der Oberst zerdrückte seinen Zigarettenrest an einem Baumstamm. »Sie wundern sich, Sir? Nimmt man bei Ihnen nicht Millionen von Pillen gegen Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit? Sie schlucken, wir rauchen – es bleibt sich gleich.« Er lehnte sich gegen einen verkrüppelten Baum und starrte hinüber zu dem tosenden Wasserfall. »Die Ausrüstung für Herrn Heidkamp ist bereits unterwegs. Wir glauben, daß alles komplett ist. Sie werden sehen, daß wir die feinsten Vermessungsinstrumente haben.«
»Auch mit Trägern?«
»Nur mit Trägern. Im Dschungel sind sie aus der Luft kaum zu erkennen.«
Wie Oberst Nam Ngoi Phu es angekündigt hatte, so wurde es auch. Nachdem die kleine Kolonne unter den üblichen Blätterdächern und Bambusstangen übernachtet hatte, traf gegen Mittag des nächsten Tages die erste Kolonne ein. Ein langer Zug elender, ausgemergelter, halbverhungerter, stier blickender Thais, in zerfetzten Kleidern, mit blutigen Striemen über Rücken, Schultern und Oberschenkeln. Sie gingen hintereinander, eine Riesenschlange, die sich durch den Dschungel wälzte, auf einem schmalen Pfad, über dem das Ast- und Blattgewirr der grünen Hölle zusammenschlug. Dreißig Soldaten des Generals Nai Tuan Dien bewachten
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