Geliebter, betrogener Mann
sehen!«
Unter Gelächter tranken sie, aber als sie die Gläser wieder absetzten, sahen sie sich stumm und fast verschämt an. Sie dachten alle das gleiche und wagten es nicht auszusprechen: Mit dieser Stunde hatten sie Michael Pohland begraben. Sie war ein Abschluß gewesen. Die Vermutung, daß er nicht mehr zurückkam, war zur Gewißheit geworden.
Gerda Pohland ergriff die Hände Dr. Wehrmanns.
»Helfen Sie mir weiter, Doktor«, stammelte sie.
Dr. Wehrmann nickte. Seine Stimme schwankte arg, als er sagte: »Wir werden in Michas Sinne alles gut machen!«
»Nun sind wir also doch am Ziel, allerdings von der anderen Seite«, sagte Ingenieur Heidkamp und blickte hinüber zu dem riesigen Wasserfall, der über Felsen und Steinplateaus schoß, sich in einem natürlichen, fast runden Becken sammelte und dann noch einmal mit breiten Wassermassen über einen Hang hinabstürzte in ein zer klüftetes, ausgewaschenes Flußbett. Das Wasser dampfte und brodelte, Gischt staubte über die Felsen und Bäume und zerbrach die Sonnenstrahlen in schillernde Spektralfarben. Pohland, Heidkamp und ihre Begleitung standen erst seit wenigen Minuten am Rande des Felsenbeckens, und doch waren sie schon von dem sie einhül lenden Gischt völlig durchnäßt. Oberst Nam Ngoi Phu lachte breit, seine gelben Zähne waren wie ein Affengebiß.
»Das haben Sie nicht erwartet, Sirs?« rief er gegen den brüllenden Lärm der niederstürzenden Wasser an.
»So etwas nicht.« Pohland wischte sich die Nässe aus den Augen. »Die Luftaufnahmen gaben kein genaues Bild. Wir wußten aber, daß hier eine ungeheure Wasserkraft ausgenutzt werden kann.«
»Nutzen Sie sie, Sir.«
»Theoretisch.« Heidkamp setzte sich auf einen Felsblock und starrte in das brodelnde Wasser. »Kinder, was könnte man damit anfangen. Dieses natürliche Staubecken und der Nachlauf, den wir oben, wo er aus dem Felsen kommt, schon vorher auffangen könnten – das ergäbe eine Stromerzeugung, mit der man den ganzen Norden des Landes versorgen könnte, einschließlich einer aufzubauenden Industrie. Und ohne große Kosten. Es ist ja alles da: ein Staubecken, ein Überlauf, die natürliche Verengung, an der wir die ersten Turbinen montieren können, knallharter Felsboden … wir brauchen nur ein paar ausgleichende Betonmauern und natürlich die Turbinenhäuser und Transformatoren. Aber das könnte in gut zwei Jahren laufen wie eine Eins.«
»Was sagt der Herr?« fragte Oberst Nam Ngoi Phu, der die deutschen Worte nicht verstand.
»Dr. Heidkamp ist begeistert.« Pohland schüttelte den Kopf. »Aber sagen Sie selbst, Oberst: Es ist doch Dummheit, jetzt hier Pläne für ein Stau- und Kraftwerk zu machen, die vielleicht nie realisiert werden können.«
»Der General wünscht es so«, antwortete Nam Ngoi Phu verschlossen. »Sie kennen seine Gründe, und wir haben zu gehorchen.«
»Gut denn.« Pohland hob resignierend die Schultern. »Aber was soll ich dabei? Ich finanziere Projekte, aber ich zeichne sie nicht.«
»Sie sind Gast des Generals, Sir.« Nam Ngoi Phu lächelte wieder unergründlich. »Aus Sicherheitsgründen können wir Sie nicht zurückbringen, Sie verstehen doch. Es war sowieso ein Fehlschlag, daß wir nur Dr. Heidkamp einladen und daß die anderen Herren sich absetzen konnten. Wir hatten den Plan, die ganze Gruppe einzuladen …« Seine asiatische Höflichkeit war entwaffnend. Statt entführen sagte er einladen, statt Gefangener gebrauchte er das Wort Gast. Er sprach es so vollendet aus, daß man fast daran glauben konnte. »Es wird Ihnen sicherlich nicht langweilig werden, Sir«, fügte er hinzu. »Ich glaube, annehmen zu dürfen, daß der General Sie als Finanzberater beschäftigen wird.«
»Gratuliere, Chef«, Dr. Heidkamp lachte laut. »Asien gesundet an Pohland.« Er sah wieder auf den Wasserfall und schien einen Gedanken zu haben. Sein verkniffenes Gesicht hellte sich auf. »Fragen Sie mal, wie lange wir hier leben sollen.«
Pohland wandte sich an den Oberst. »Es liegt an Ihnen, Sirs. Bis die Pläne fertig sind. Wir werden ein festes Lager bauen, wir werden alles heranschaffen, was Sie brauchen. Unsere geologischen Gäste sind schon unterwegs, um bei den Bodenuntersuchungen zu helfen … es liegt in Ihrer Hand.«
Dr. Heidkamp, der soviel Englisch konnte, um die Worte des Obersten zu verstehen, nickte zufrieden.
»Das ist gut, Herr Pohland.« Er rieb sich die Hände. »Wenn wir den Fluß abwärts ziehen, kommen wir in die von Regierungstruppen besetzten
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