Geliebter, betrogener Mann
Wild. Seine Augen waren klein und verschwanden fast in den schmalen Fettpolstern, die den Asiaten das schlitzäugige Aussehen verliehen.
»Da … hören Sie …«, sagte er leise.
Pohland strengte sein Gehör an. Er hörte das Kreischen von Vögeln, ein Plumpsen im Wasser, das Brechen von jungem Bambusrohr und Schilf.
»Nein. Was denn?«
»Psst!« Der Oberst feuchtete seinen Zeigefinger an und hielt ihn in die Luft. Heidkamp lächelte. Darin sind wir alle gleich, dachte er. Das haben wir auch gemacht … Finger naß, spüren, woher der Wind weht … aber hier war kein Wind. Die Sonne stand fast senkrecht über ihnen, und der Dschungel dampfte. Es war wie in einem Dampfbad; der Schweiß drängte aus den Poren, der Körper schien trotz der Feuchtigkeit um ihn herum zu verdorren.
»Es kann die Herde sein«, flüsterte Nam Ngoi Phu. Er ließ die Maschinenpistole von seiner Schulter in die Hände gleiten und lud durch. Es klickte leise, der umklappbare Kolben schnellte herum, der Zeigefinger legte sich vor den Abzug. »Bleiben Sie hier stehen, es geschieht Ihnen nichts …«
»Wo sollten wir auch hin?« sagte Pohland müde.
Der Oberst tastete sich lautlos durch das Schilf weiter. Die Riesenhalme schlugen hinter ihm zusammen wie gierige Zähne, die ihn in einen ungeheuren Rachen zogen. Pohland und Heidkamp blieben wie angewurzelt dort stehen, wo sie gerade waren. Sie sahen sich stumm an und gestanden sich mit Blicken ein, daß ihnen unheimlich zumute war.
Ein lauter Schrei ließ sie zusammenzucken. Es war ein menschenunähnlicher Schrei, ein Gellen, das aufquoll zu einem Kreischen und dann unterging in ein dumpfes Gurgeln. Gleichzeitig ratterte die Maschinenpistole, ein kurzer Feuerstoß nur, dem ein lautes Brechen von Zweigen folgte, ein helles Fauchen und plötzlich ein trockenes, merkwürdiges Gebrüll.
»Was … was ist denn das?« fragte Heidkamp, nachdem es wieder still geworden war. Pohland hob schwach die Schultern und lauschte.
Der Dschungel um sie herum war erfüllt vom Kreischen der Vögel, das langsam verebbte. Dann wurde es wieder still, unheimlich leblos fast.
»Oberst Nam Ngoi Phu!« rief Pohland. Und als er keine Antwort bekam, rief er lauter und zuletzt schrie er mit voller Stimme: »Nam Ngoi Phu! Oberst! Wo sind Sie?!«
Niemand antwortete. Pohland wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. Er sah, wie Heidkamp sich an einen Stamm lehnte. Ihm schien schlecht zu werden, die Augen quollen hervor, der Mund zuckte wild.
»Es war alles nur ein Trick …«, stammelte er tonlos. »Herr Pohland … es war eine Falle … man hat uns ausgesetzt … einfach ausgesetzt …«
»Dummheit, Heidkamp.« Pohland riß seine Tarnuniform vor der Brust auf. Er bekam keinen Atem mehr vor Entsetzen. »Warum sollten sie das? Oder haben Sie Quatsch gemacht?«
»Ich? Nein.«
»Sie haben keine versteckten Fehler in die Pläne gezeichnet?«
»Aber nein!« schrie Heidkamp schrill. »Ich will doch weiterleben.«
»Dann … dann ist dort eben etwas Grauenhaftes passiert.« Pohland zeigte auf das Schilf, in dem der Oberst vor wenigen Minuten untergetaucht war. »Der Schrei … er hat ja auch geschossen … das Brüllen …«
»Das … das ist doch nicht möglich«, stotterte Heidkamp.
»Kommen Sie!«
»Ohne Waffen?«
»Wollen Sie hier stehenbleiben und verfaulen? Irgendwie müssen wir ja weiter. Unsere Chancen sind sowieso Null. Los, Doktor, denken Sie an die Pripjet-Sümpfe 1944.«
»Da war ich auch fast zwanzig Jahre jünger. Und ich hatte ein MG vor der Brust …« Aber Heidkamp stieß sich trotzdem von seinem Baum ab und stapfte zu Pohland.
Vorsichtig, Schritt um Schritt, tasteten sie sich durch das Schilf. Sie sahen undeutlich die Spur, die Nam Ngoi Phu gebrochen hatte. Nach einigen Metern wurde das Schilf lichter, ein kleiner Wasserlauf leuchtete wie geschmolzenes Blei in der Sonne, und um diesen Bach breitete sich zu beiden Ufern eine Art Grasfläche aus, ungefähr zwanzig Meter breit. Am jenseitigen Ufer begann wieder der Dschungel.
Am Ufer des Wasserlaufes, auf dem Rücken, in verkrampfter Haltung, lag der Oberst. Pohland jagte ein Schauer über den Rücken, als er an die Gestalt herantrat. Die Brust Nam Ngoi Phus war aufgerissen bis auf die Rippen, das Gesicht war auf der linken Seite ein einziger Fleischfetzen, über den aus der zertrümmerten Schläfe eine gelbweiße Masse Gehirn quoll. In den Händen hielt er noch immer, im Tode festgekrallt, die Maschinenpistole. Die Beine waren an den Leib gezogen,
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