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Geliebter, betrogener Mann

Geliebter, betrogener Mann

Titel: Geliebter, betrogener Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Verstanden?«
    Petermann schwieg und senkte den Kopf.
    »Verstanden?« brüllte Dr. Wehrmann.
    Petermann zuckte zusammen. »Ja«, stammelte er kaum hörbar.
    »Anna!« In Wehrmanns Kopf rauschte es. »Sieh mich an, Anna!« schrie er. »Belüg mich nicht wie dein Mann! Wann hast du die Pillen zum letztenmal genommen?«
    »Herr Doktor …« Anna versuchte Haltung zu bewahren. Aber dann brach ihr Widerstand zusammen. Sie hob die Schürze ans Gesicht und weinte.
    »Also doch!« schrie Dr. Wehrmann und hieb mit der Flasche auf den Tisch. Gotthelf Petermann sprang auf und flüchtete zur Tür. Er kannte den Jähzorn des Arztes und wußte, daß Wehrmann zu allen Reaktionen fähig war. Er war ein Landdoktor, der störrische Bauern wie störrische Ochsen behandelte, und es war bekannt, daß er Muskeln besaß, die niemand unter der Jacke ahnte. »Wie lange nicht?«
    »Zehn Tage«, weinte Anna.
    »Man sollte euch den Hintern blau hauen! Und in den zehn Tagen habt ihr natürlich …« Er sprang auf und trat auf Petermann zu. Der hob abwehrend die Arme. »Na?« brüllte Wehrmann.
    »Ja, Herr Doktor.«
    »Ja, Herr Doktor! Ja, Herr Doktor! Das ist alles, was du zu sagen hast! Nur, weil dich der Hafer sticht, machst du sechs Kinder zu Waisen! Anna!«
    »Herr Doktor …?«
    »Zieh dich an. Wir fahren in die Stadt. Ich muß dich untersuchen, ob was passiert ist. Ist das der Fall … Petermann, ich sage dir … wandere aus. Sieh dir das an!« Dr. Wehrmann hob beide Fäuste und hielt sie dem bebenden Petermann vor die Augen. Es waren kräftige, dicke Fäuste, deren Hiebe wie Hammerschläge sein mußten. Der Verwalter senkte den Kopf und atmete schwer.
    »Er ist ja nicht schuld«, schluchzte Anna und band die Schürze ab. »Ich habe es getan … ich wollte es ja … Er tat mir so leid, Herr Doktor … und da habe ich ganz allein die Pillen nicht mehr genommen … er wollte es gar nicht.«
    »Auch das noch! Mein Gott! Los, zieh dich an! Wir fahren gleich.«
    »Das Kind muß erst noch zu essen bekommen, Herr Doktor.«
    »Gut. Ich warte im Herrenhaus. Wie lange dauert es?«
    »Vielleicht eine halbe Stunde.«
    Dr. Wehrmann nahm seine Tasche vom Stuhl und rannte hinaus. Petermann, der ihn hinausbegleiten wollte, stieß er grob zur Seite.
    »Kümmern Sie sich um Ihre Frau!« schrie er dabei. »Solange sie noch da ist.«
    Gotthelf Petermann lehnte sich leichenblaß an die Flurwand und wischte sich den kalten Schweiß vom Gesicht. Im Schlafzimmer schrie das Kind. Er hörte, wie Anna begütigend auf es einsprach, wie das Schreien in Greinen überging und schließlich erstarb. Jetzt trinkt es, dachte er. Er riß sich den Schlips herunter und den Kragen auf. Ich hänge mich auf, dachte er, und es war keine bloße Redensart, sondern ein verzweifelter Entschluß. Ich hänge mich auf, wenn Anna etwas passiert … im Pferdestall, oben auf dem Dachboden, wo die Säcke mit dem Hafer lagern. Dort findet man mich nicht so schnell, dort ist es sicher …
    Schwankend ging er hinüber zum Stall, setzte sich auf die Futterkiste und stierte auf die leeren Pferdeboxen. Er brach unter einem Problem zusammen, das stärker war als seine Natur.
    Im Kaminzimmer des Herrenhauses traf Dr. Wehrmann den Schwiegervater Pohlands, den Architekten Ernst Ludwig an. Er saß im Kaminsessel, las die Morgenzeitung und hatte vor sich Rotwein stehen.
    »Sie bekommen auch noch mal einen Schlaganfall«, sagte Dr. Wehrmann giftig. »Bei einem bestimmten Prozentsatz Alkohol im Blut weigert sich das Herz …«
    »Sie sind ja nur neidisch, Doktor.« Ernst Ludwig lachte laut und winkte mit der Zeitung. »Sie bekommen ja Sodbrennen, wenn Sie Wein trinken.«
    »Gott sei Dank. Richtige Magensäure ist der beste Schutz gegen Magenkrebs«, sagte Wehrmann gehässig.
    »Ein Gläschen, Doktor?« Ludwig hob lachend die Flasche.
    »Danke.«
    »Ich erwarte in ein paar Minuten den Dechanten.«
    »Wunderbar.« Wehrmann setzte sich Ernst Ludwig gegenüber. »Dann bleibe ich. Ich habe eine Neuigkeit für ihn, die er nicht verdauen wird.«
    »Woher eigentlich diese Haßliebe?«
    »Weil wir beide uns mögen. Nur, wenn kirchliches Dogma und medizinische Freizügigkeit aufeinanderprallen, fliegen die Fetzen.«
    »Luzifer ringt mit dem Erzengel.«
    »Man kann's so nennen.« Dr. Wehrmann schielte auf den dunkelroten Wein in Ludwigs Glas. Er rang mit sich, kratzte sich den Kopf, räusperte sich und schlug schließlich den Blick nieder. »Gut … schütten Sie mir einen ein …«, sagte er endlich. »Der Mensch

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