Geliebter, betrogener Mann
schnell. Wieso hat Pohland Beweise aus Oberholzen? Und welcher Art sind diese Beweise? Wer hat sie ihm geliefert? Umfassend können sie nicht sein, denn augenscheinlich weiß Pohland nicht, was er mit dem Wort Oberholzen anfangen soll. »Kann ich sie sehen, die Beweise?« fragte Dr. Wehrmann harmlos. »Wenn Sie Ihre Frau so hart verdächtigen, glaube ich ein Recht zu haben, eingeweiht zu sein.«
»Bitte!« Pohland holte aus der Brieftasche den Zettel und reichte ihn Wehrmann. Der Arzt überflog die zwei Sätze und ließ den Zettel auf den Tisch fallen. Ein dämliches Frauenzimmer, dachte er dabei. Alles hat sie getan, um ihr Geheimnis zu hüten, aber so einen dusseligen Zettel hebt sie auf.
»Na und?« fragte Dr. Wehrmann. »Was ist?«
»Genügt das nicht?« rief Pohland heiser vor Erregung.
»Nein. Wer ist Oberholzen? Diese Frage bleibt.«
»Wenn man viermal DM 800 bezahlt …«
»Es kann ein Modeatelier sein. Modellkleider sind teuer, das sollten Sie wissen. Es kann ein Autohändler sein – hatte Gerda früher nicht einen eigenen Wagen? Sie kann ihn auf Raten gekauft haben, das viermal 800 DM spricht dafür. Immer die gleiche Summe.«
»Ratenkäufe hatte Gerda nie nötig.«
»Dann bleibt nur übrig, daß Ihre Frau sich einen Lustjüngling hält, der monatlich DM 800 kostet. Ein teurer Spaß.«
»Sie sind von einer geradezu gemeinen Geschmacklosigkeit, Doktor!« schrie Pohland. Dr. Wehrmann hob die Schultern.
»Ich bin eine ehrliche Person. Ich spreche nur aus, was Sie im geheimen denken. Warum regen Sie sich sonst so auf, wenn dieser Wisch da in Ihnen nicht derartige Gedanken erregt?«
Michael Pohland hob die Schultern und schwieg. Er kam an den Tisch zurück, nahm den Zettel und verbarg ihn wieder in der Brieftasche wie einen Schatz. Dr. Wehrmann schüttelte wild seine Löwenmähne.
»Kindisch. Direkt kindisch.«
»Ich weiß, Doktor.«
»Und nun werden Sie Ihrer Frau auch noch eine Szene hinlegen wie in einem Strindberg-Stück.«
»Nein.«
»Nicht? Oh, da fehlt dann aber ein Pinselstrich im Bild des vor Eifersucht rasenden Ehemannes.«
»Ich bin nicht eifersüchtig. Ich bin bloß erschüttert, erschlagen, gekränkt.«
»Das ist das vornehme Vokabular für ganz gemeine Eifersucht. Herr Pohland …«
»Doktor?«
»Ich hatte Sie bisher für einen untadeligen Mann gehalten, für einen Energieknoten, der einen Konzern aufbauen konnte und seinen beratenden Arzt oft zur Verzweiflung brachte, weil er Raubbau mit seinen Kräften trieb. Aber nun sind Sie ein armseliger Wicht, Pohland. Ein Durchschnittsmensch wie Millionen andere, ein von Zweifeln und Leidenschaften Getriebener, der nicht die innere Kraft aufbringt, sich selbst zu bezwingen und dort die Vernunft zu rufen, wo sie am notwendigsten ist: im eigenen Ich.«
»Gut gebrüllt, Löwe!« Pohland trat an das Fenster und trommelte mit den Fingern gegen die Scheiben. »Und wie erklären Sie sich, Doktor, daß meine Frau gestern zu ihrem Vater fährt, aber dort nicht ankommt, sondern in einem mysteriösen Gasthaus ›Zur Sonne‹ wohnt?«
»Ach!« Dr. Wehrmann griff zur Weinflasche und schenkte sich ein. »Wie denn das?«
»Sie hatte ein Päckchen für Papa vergessen. Ich rufe an … Papa weiß von keinem Besuch. Eine Stunde später ruft Gerda an … von Paps natürlich, der sie unterrichtet hatte. War gerade angekommen, ein Autoschaden hat sie festgehalten …«
»Na also!«
»… Es ist alles eitel Freude. Aber ich lasse nachprüfen, woher der Anruf kommt.«
»Das war wiederum nicht gentleman like, sondern eine Tat blinder Eifersucht.«
»Ich gebe zu, daß ich nachdenklich geworden war.«
»Herrgott, sagen Sie: Ich war solch ein Trottel, meiner Frau nicht zu glauben.«
»Gut. Ich glaubte nicht. Der Anruf kam vom Selbstwähldienst, der Ort war also nicht feststellbar, aber vor Gerda meldete sich eine Vermittlung: Hier Gasthaus ›Zur Sonne‹, ich verbinde weiter.«
»Idioten!« sagte Dr. Wehrmann laut.
»Wer?«
»Die Leute von der ›Sonne‹!«
»Sie haben ein Fleischerhundgemüt, Doktor. Nun wußte ich sicher, daß Gerda nicht bei Ihrem Vater, sondern in einem Gasthaus war. Irgendwo in Deutschland. Auf Zimmer drei.«
»Das sagte die Vermittlung auch?«
»Ja.«
»So entsteht aus Ehrlichkeit eine Tragödie.«
»Bitte, lassen Sie Ihre dummen Witze, Doktor.« Pohland hieb mit der Faust in die linke Hand. »Ich frage Sie: Was macht meine Frau in einem Gasthaus? Warum verheimlicht sie mir diese Reise? Warum belügt sie mich? Was macht
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