Geliebter, betrogener Mann
Schal, bis er ihn in der Seitentasche seines Mantels fand. Ein Haus, dachte er dabei. Welch ein Haus? 800 Mark jeden Monat … davon kann man ein Haus mieten. Aber wer wohnt darin? Wen versteckt sie in dieser Einsamkeit? Er warf den Kopf herum und sah Gerda wartend an der Tür stehen.
»Wird … wird sich etwas zwischen uns ändern?« fragte er heiser. »Sag es ehrlich, Gerda.«
Sie hob die Schultern, und nun sah er in ihren Augen diese Traurigkeit, die im Ausweglosen endet.
»Ich weiß es nicht, Micha.«
»Aber …«
»Es liegt ganz bei dir.«
Er stellte den Mantelkragen hoch und zupfte den Schal höher ans Kinn. Dann steckte er die Hände in die Taschen; sie beulten sich etwas aus, weil in der Verborgenheit seine Hände zu Fäusten wurden.
»Gehen wir!« sagte er fest.
Unter dem schützenden Vordach des Eingangs stand bereits Dr. Dornburg und kam ihnen entgegen, als der Wagen hielt. Der Wirt der ›Sonne‹ hatte sofort angerufen, nachdem Michael und Gerda Pohland abgefahren waren.
Michael legte verwundert die Hand auf den Arm Gerdas, als sie aus dem verschneiten Park herauskamen und das große, graue Haus vor ihnen lag.
»Ein Arzt …?«
»Ja. Dr. Dornburg.«
Michael Pohland hatte das Gefühl, erwürgt zu werden. Er lehnte sich zurück und nagte an der Unterlippe. Ein Arzt also, dachte er. Sie hat einen Arzt als Geliebten. Und sie fährt mich zu ihm hin, als sei es selbstverständlich, daß es diesen Dr. Dornburg in ihrem Leben gibt. Er empfand es als geschmacklos und entwürdigend, dieses Schauspiel mitzumachen und womöglich noch darüber zu konferieren, wer nun das meiste Recht an Gerda Pohland habe … der Ehemann, dem monatelang das eheliche Recht verweigert worden war, oder der Geliebte, der es kampflos dargeboten erhielt. Gleichzeitig stieg in ihm eine heiße Welle von Schmerz und Qual empor und überspülte alles Denken. Er drückte den Arm Gerdas so fest, daß sie leise aufschrie und auf die Bremse trat. Der Wagen schlitterte über den Anfahrtsweg und blieb dann im seitlichen Schnee stehen.
»Was ist denn, Micha?« rief sie.
»Laß uns umkehren!« Seine Stimme war ohne Ton und doch überlaut.
»Nein!«
»Du hättest mir diesen Anblick ersparen können. Es hätte genügt, zu sagen: Es gibt einen Mann …« Er schluckte, als ersticke er an diesen Worten. »Aber dieses widerliche Schauspiel …«
Sie schüttelte seinen Griff ab. Dann startete sie wieder, lenkte den Wagen vorsichtig auf den glatten Weg zurück und fuhr weiter, dem Haus entgegen. Dr. Dornburg hatte den kleinen Aufenthalt bemerkt und kam nun die Eingangstreppe herunter.
»Er ist sogar älter als ich«, sagte Pohland gehässig.
»Ich schäme mich für dich.« Gerda Pohland ließ den Wagen ausrollen. »Eben hast du mir bewiesen, wie wenig du mich kennst und wie gering dein Vertrauen ist. Aber auch das spielt jetzt keine Rolle mehr.«
Der Wagen hielt drei Schritte vor Dr. Dornburg. Kampfeslustig riß Pohland die Tür auf und sprang in den verharschten Schnee. Er war größer als Dr. Dornburg und breiter, das stellte er sofort fest. Außerdem hatte der Arzt schon viele graue Haare; einen Kopf, als sei er mit Rauhreif überzogen. Was findet Gerda bloß an ihm, dachte Pohland in den wenigen Sekunden, in denen sich die Männer ansahen. Nicht einmal interessant sieht er aus. Zugegeben, ein Gelehrtengesicht … aber das ist nicht die Welt einer Gerda Pohland, die immer auf der Sonnenseite des Lebens gestanden hatte.
»Pohland«, sagte er hart.
»Dornburg.« Der Arzt machte die Andeutung einer Verneigung, half Gerda aus dem Wagen, da Michael es nicht tat, weil er zu sehr mit der Taxierung seines Gegners beschäftigt war. Als Dr. Dornburg sich über die Hand Gerdas beugte und sie küßte, hatte Pohland den Drang, ihm in den Nacken zu schlagen, so wie man ein Kaninchen auf alte Bauernart tötet. Er rieb die Handflächen an seinem kalten Mantelstoff und atmete ein paarmal tief durch, um seine Erregung zu besänftigen.
»Ich war erstaunt, gnädige Frau, daß Sie noch einmal kommen«, sagte Dr. Dornburg. Pohland verzog das Gesicht zu einem Grinsen. Welch widerliches Theater, dachte er. Gnädige Frau, Anrede in der Sie-Form … was soll diese Komödie! Er trat an Dr. Dornburg heran und räusperte sich.
»Kommen wir gleich zur Sache, Doktor«, sagte er rauh.
»Natürlich. Aber ich glaube, daß ich im Interesse Ihrer Gattin vorweg noch einige Erklärungen geben muß.«
»Ich bin nicht gekommen, um Erklärungen zu hören, sondern um
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