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Geliebter, betrogener Mann

Geliebter, betrogener Mann

Titel: Geliebter, betrogener Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Tatsachen festzustellen.« Es war der Ton des Konzernherrn, abgehackt, fordernd, keinen Widerspruch duldend, selbstherrlich und zeitknapp. Dr. Dornburg sah schnell Gerda an; ein Blick, der um Erläuterungen bat.
    »Mein Mann weiß noch nichts, Doktor«, sagte sie. »Er sieht die Situation sicherlich falsch.«
    »Wenn du meinst …« Pohland stand steif auf der Treppe. »Ich lasse mich gern überraschen.«
    Dr. Dornburg ging vor. Sie kamen in die Halle, gingen über den weißen Flur mit den vielen weißen Türen, hinter denen die Stille lag, die Dr. Wehrmann so unheimlich vorgekommen war, und betraten das Chefbüro. Pohland hatte sich bei diesem Gang verwundert umgesehen. Eine Klinik, dachte er verwirrt. Das ist eine Klinik oder ein Sanatorium. Er sah ein paar Schwestern, die mit kleinen, weißen Häubchen auf den Haaren lautlos wie Schemen hinter Türen verschwanden, auftauchten, vorbeihuschten … mit Tabletts, mit Kannen, mit Spielzeug …
    Spielzeug. Pohland blieb stehen und sah einer Schwester nach, die einen hölzernen Eisenbahnzug auf dem Arm trug. Unter die Achsel hatte sie einen zerzausten, gelben Bären geklemmt. Eine Tür öffnete sich, für Sekunden hörte er ein Brabbeln und Greinen, ein unartikuliertes Lautgeben. Dann schloß sich die Tür wieder, und die Lautlosigkeit war wieder vollkommen. Dr. Dornburg hielt die Tür seines Zimmers offen und beobachtete Pohland.
    »Darauf sind wir stolz, Herr Pohland«, sagte er. »Es ist uns gelungen, bei allem naturgemäßen Lärm ein lautloses Haus zu schaffen. Wände und Türen sind mit einem neuen Isolierstoff belegt.«
    »Mit Isolierstoff …« Pohland wiederholte es. Die Erkenntnis, in einer Klinik zu sein, zerstörte alle angestaute Wut in ihm. Er blieb mitten im Zimmer Dr. Dornburgs stehen und sah Gerda fragend an, die auf einer Couch saß und auf das Muster des großen Teppichs stierte. »Was … was soll das alles?«
    »Sie sehen, ich muß doch erklären.« Dr. Dornburg ging um Pohland herum. »Sie befinden sich hier in einer privaten psychiatrischen Klinik.«
    »Ja … aber?«
    »Wir haben zur Zeit 98 Patienten, meistens Durchgangskranke, die nach einigen Wochen oder Monaten als geheilt oder zumindest gebessert entlassen werden können. Alkoholiker, Morphinisten, die hier eine Entziehungskur machen. Kranke mit Psychosen. Schizophrene, die in den Tagen ihrer sogenannten ›Schübe‹ zu uns kommen. Einige Psychopathen, Melancholiker … kurzum, eine ganze Skala von Elend. Und dann haben wir auch noch eine Abteilung der Unheilbaren, der vererbten Geisteskrankheiten oder der unverständlichen Spiellaunen der Natur, die Menschen gebären läßt, die nicht wie Menschen aussehen. Der Volksmund sagt grausam dazu Mißgeburt, aber es sind Menschen wie Sie und ich … auch wenn sie nicht oder kaum als Menschen erkannt werden können.«
    Pohland sah wieder zu seiner Frau hinüber. Gerda saß zusammengesunken da, den Kopf gesenkt, und an dem Zucken ihrer Schultern sah er, daß sie still weinte. Ihre große Tasche stand neben ihr, und sie hatte sie aufgelassen, als sie ein Taschentuch herausgenommen hatte. Pohland sah etwas Rosiges herausragen, das in weißen, gehäkelten Stoff überging. Der Arm einer Puppe …
    Das ist doch nicht möglich, dachte er und starrte Dr. Dornburg an, der vor ihm hin und her ging. Mein Gott, das kann doch nicht sein!
    »Sie kennen sicherlich verschiedene Arten, Herr Pohland«, hörte Michael den Arzt weitersprechen. »Kretinismus, Hydrozephalus, Mongolismus …«
    »Bitte, Doktor!« Pohland rang die Hände. »Erklären Sie nicht weiter.«
    »Dann können wir also gehen?«
    »Ja.«
    »Und Sie, gnädige Frau?«
    Gerda Pohland nickte stumm. Sie wischte sich die Tränen aus den Augen und stand auf. Aus der Tasche nahm sie die Puppe und drückte sie an die Brust. Es war eine rührende Gebärde, die Pohland heiß durch das Herz schnitt. Er lief zu Gerda, faßte sie unter, und als sie das Gesicht zu ihm hob und ihn flehend ansah, schüttelte er den Kopf und lächelte sie ermutigend an.
    Dr. Dornburg ging voraus. Sie kamen durch zwei stille, weiße Flure, begegneten einem jungen Arzt und zwei Schwestern und standen dann vor einer der weißen Türen, die weder eine Nummer noch eine Aufschrift trugen.
    »Bitte, seien Sie stark«, sagte Dr. Dornburg, bevor er die Tür öffnete.
    »Ich war vier Jahre im Krieg, Doktor.«
    »Trotzdem. Ein von Granaten abgerissener Kopf sieht anders aus als ein lebender, nicht als Kopf erkennbarer Schädel.«
    Er sagte es

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