Geliebter, betrogener Mann
den Fernseher. Der Meuchelmörder lag bereits bewußtlos auf dem Boden, der Titelheld lebte weiter, denn bis zum Ende des Spieles waren es noch zwanzig Minuten, und man brauchte ihn noch.
Anna setzte sich wieder und streifte den Rock über die Knie. Sie hatte sich gut erholt, ihr Gesicht rundete sich wieder, die frische Drallheit ihres Körpers kehrte zurück.
»Ist etwas Besonderes, Herr Pohland?« Petermann schob einen Stuhl heran und stand dann herum. Er wußte nicht, was er machen sollte. Es kam nie vor, daß Pohland abends in seinem Haus war; was man zu besprechen hatte, geschah draußen oder im Verwalterbüro. So wußte er nicht, ob er etwas anbieten sollte, ob es schicklich war, den Schnaps aus dem Wandschrank zu holen, Selbstgebackenes aufzutragen oder Herrn Pohland sonstwie zu bewirten. So unterließ er alles, auch als Anna ihm zublinkerte, und wartete zunächst ab.
Michael Pohland setzte sich.
»Ich komme in einer merkwürdigen Sache zu Ihnen, Petermann. Sie werden erstaunt sein, und ich bitte Sie, mit meiner vollsten Diskretion zu rechnen, wie ich das gleiche von Ihnen erbitte.« Er machte eine Pause. Petermann sah Anna ratlos an und wartete weiter. »Ihre Frau nimmt Medikamente, nicht wahr?« fragte Pohland unvermittelt. Anna zuckte zusammen und wurde auf ihrem Sofa klein wie ein sich verkriechender Hund. Gotthelf Petermann kratzte sich den Nasenrücken.
»Ja, natürlich. Leberpräparate, zur Blutbildung …«
»Auch Schlafmittel?«
»Früher. Jetzt nicht mehr.«
»Und diese Dinger mit dem Namen Anovlar?«
»Wieso?« fragte Petermann dumm zurück.
»Ich habe gesehen, wie Sie sie in der Apotheke holten. Es war ein Rezept von Doktor Wehrmann.«
»Haben Sie mit Doktor Wehrmann darüber gesprochen?«
»Ja, natürlich«, log Pohland.
»Und warum fragen Sie dann noch, Herr Pohland?« Petermann winkte ab, als Anna etwas sagen wollte. »Ich kann es mir denken. Der Herr Dechant war bei Ihnen, nicht wahr? Aber meinen Sie nicht auch, daß sechs Kinder genug sind? Und dann die akute Gefahr, wenn es ein siebtes geben sollte …«
»Sie haben vollkommen recht, Petermann.«
»Wieviel Leid hätte vermieden werden können, wenn es die Anti-Baby-Pillen in früheren Zeiten gegeben hätte. Wieviel Selbstmorde wären nicht passiert, wieviel Kindestötungen und Abtreibungen hätte man verhindert, wieviel wirtschaftliche Not! Das sagt auch der Herr Doktor.«
Michael Pohland war es eiskalt ums Herz geworden. Er saß wie versteinert auf dem harten Stuhl und starrte auf das flimmernde Fernsehbild, ohne aufzunehmen, was er sah. Mein uneingestandener Verdacht hat also nicht getrogen. Gerda nimmt Anti-Baby-Pillen. Sie macht sich bewußt unfruchtbar, und ich war bereit, die Schuld bei mir zu suchen und um die Welt zu fahren, von Arzt zu Arzt, um mir Gewißheit zu verschaffen.
Und Dr. Wehrmann hat sie ihr gegeben, diese Pillen. Auch er hat mich betrogen, er, dem ich ohne Vorbehalte vertraute.
»Was … was haben Sie denn, Herr Pohland?« fragte Anna Petermann. Pohland schreckte auf.
»Nichts, gar nichts, Anna. Ich mußte nur an etwas denken. Es ist gut.« Er stand auf und gab Anna die Hand. »Gute Nacht.«
»Gute Nacht, Herr Pohland.«
Als Petermann von draußen wieder ins Zimmer kam, saß Anna noch immer unbeweglich auf dem Sofa.
»Was wollte er denn nun?« fragte sie.
»Wenn ich das wüßte.«
»Irgend etwas stimmt doch da nicht, Gotthelf.«
»Was du immer sagst! Er hat vom Doktor und vom Dechant gehört, daß du die Pillen hast, und da wollte er es genau wissen.«
»Aber warum? Das geht ihn doch gar nichts an.«
»Er kümmert sich eben um alles.« Petermann setzte sich und sah weiter auf den Bildschirm. Der vierte Tote lag unter einem Brückenpfeiler. Wer es war, hatte Petermann durch das Gespräch mit Pohland verpaßt. Das ärgerte ihn, er rauchte stumm und freute sich, als die Jagd nach dem Täter begann.
Draußen stand noch immer Michael Pohland und sah hinauf zu den erleuchteten Fenstern seines Herrenhauses.
Tabletten gegen ein Kind. Sein Kind!
Er wußte, daß er Gerda verloren hatte …
Dr. Wehrmann saß gerade über der Auszählung eines Blutbildes, als Pohland hereinkam. Er winkte ab, als Pohland etwas sagen wollte und zählte weiter, färbte den winzigen Blutstropfen mit einer Pipet te und sah über den Okularen des Mikroskops, wie sich Pohland setzte, nervös mit einigen medizinischen Zeitschriften spielte, mit den Schuhspitzen über den Boden schabte und mit den Fingern schnippte.
»Sie
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