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Geliebter, betrogener Mann

Geliebter, betrogener Mann

Titel: Geliebter, betrogener Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Tutti für sie bedeutete. Den ewigen Verlust auf ein zweites Kind.
    »Akt Nummer drei. Er spielt ein paar Jahre später. Die dauernde seelische Belastung führt zu irreversiblen Organveränderungen und mündet – das ist noch eine Theorie – zu einer Krebsbereitschaft und zum Karzinom selbst. Hier nun nützt nichts mehr. Radikale Operationen werden sinnlos, weil die Geschwulst bereits Metastasen bildet. Eine seelische Behandlung, die man heute gern mit der Krebsbehandlung koppelt, nutzt nun gar nichts mehr. Der Fabrikant – Sie, Herr Pohland – stirbt an einer inoperablen Organerkrankung, von der man sagen wird: Es ist ein Rätsel, wie er das bekommen konnte. Ein Rätsel? Wieso denn? Die Seele war es. Und nach wie vor wird der Ruf der Psychosomatiker verhallen, die eine Ausbildung aller Mediziner in Tiefenpsychologie fordern. Das wird wohl nie kommen, dazu sind wir Ärzte zu bequem. Es geht ja auch so. Und gestorben muß ja doch einmal werden. Wir kranken an dem Fatalismus unserer Medizin.«
    Dr. Wehrmann hatte sich in Erregung geredet. Er trank den dritten Kognak und versuchte, mit bebenden Händen seine Zigarre anzuzünden.
    »Um das Fazit zu ziehen«, sagte Michael Pohland langsam, »solange Gerda diese Pillen nimmt und die Gewißheit hat, daß sie kein Kind bekommt, wird sie eine fröhliche, liebevolle Frau sein. Die Anti-Baby-Pillen sind eine Bremse für eine Katastrophe, die sich beim Bewußtsein einer Schwangerschaft einstellen würde.«
    »Sie haben lange gebraucht, um das zu erkennen«, nickte der Arzt.
    »Ich habe immer geglaubt, daß wirkliche Liebe eine solche Angst überwinden kann.«
    »Denken Sie an das, was ich Ihnen erklärt habe. Eine menschliche Seele ist ein ungeheuer feines Instrument. Und jedes Instrument ist verschieden zu spielen … bei drei Milliarden Menschen drei Milliarden mal anders …«
    Pohland erhob sich. »Ich danke Ihnen, Doktor. Verzeihen Sie, daß ich vorhin so unbeherrscht war.«
    »Schon gut.« Wehrmann sog an seiner Zigarre und nebelte sich ein.
    »Und was soll ich tun?«
    »Machen Sie Ihre Dschungelreise.«
    »Das am Rande. Ich muß mich also mit dem Gedanken abfinden, keinen Erben von Gerda zu bekommen.«
    »Das überlassen Sie bitte mir.«
    »Doktor!« Pohland wirbelte auf dem Absatz herum. »Was heißt das? Was haben Sie vor?«
    »Fahren Sie zu Ihren Urwaldwasserfällen und kümmern Sie sich darum, daß Sie Ihre Millionen vermehren. Das ist Ihre Aufgabe, dazu sind Sie geboren. Und überlassen Sie es mir, meine Aufgabe zu erfüllen.«
    »Sie … Sie sehen es also nicht als hoffnungslos an?«
    »Hoffnungslos ist nie etwas, solange es nicht völlig leblos ist. Aber Ihre Frau lebt, sie ist das blühende, junge, herrliche Leben in Person.«
    Pohland wischte sich über das heiße Gesicht. »Nun verstehe ich gar nichts mehr. Das ist genau das Gegenteil dessen, was Sie mir eben in aller Breite erklärt haben.«
    Dr. Wehrmann nickte. »Denken Sie an den Ausspruch von Professor Carrel: ›… ein Zauberwald, dessen zahllose Bäume ununterbrochen ihre Plätze und ihre Gestalt verändern …‹ Lassen Sie mich diesen Zauberwald durchstreifen, und fahren Sie unbesorgt in Ihren Dschungel.«
    Stark verwirrt verließ Pohland die Praxis Dr. Wehrmanns und fuhr ins Werk zurück. Über eine Stunde saß er nachdenklich vor dem riesigen Fenster, blickte über seine Werke, über die Hallen und Hochöfen, Walzenstraßen und Veredelungsöfen, über Gießereien und Montagehallen. Ein kleines Imperium lag zu seinen Füßen, und er war sein Herrscher, sein unumschränkter Gebieter. Und doch war er so einsam und klein vor sich selbst, so erbärmlich in seiner Hilflosigkeit. Was habe ich nun davon, dachte er einen Augenblick. Die Millionen, die Stahlwerke, die Montagetrupps, die Breitbandstraße, die Tausende von Arbeitern, die ihre Frauen und Kinder gut ernähren können, die fast alle ihre schönen Wohnungen oder ihre Siedlungshäuschen haben, dieser Fleiß der Hände, der die Pohland-Werke emporgetragen hat … was habe ich nun davon? Ich sitze hier und starre in die Weite und weiß, daß mit mir eines Tages auch diese Werke sterben werden.
    Nach einer Stunde Selbstquälung rief er in Heidfeld an und ließ bestellen, daß er heute nicht nach Hause komme. Er müsse zu einer Besprechung nach Stuttgart fahren. Statt dessen fuhr er zu seinem Schwiegervater, dem Architekten Ernst Ludwig.
    Der fröhliche Alte saß gerade beim Rotwein und las in einem sehr freien Buch, als Pohland sich melden ließ.

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