Geliebter, betrogener Mann
Pohland vor der Tür stand. Dr. Wehrmann, ungeniert in Strümp fen, ließ sie ein und stellte zunächst fest, daß sie sehr erregt war.
Jetzt weiß sie es, dachte er sofort. Übelkeit, Schwindelanfälle, kein Zyklus … das muß dem Arglosesten auffallen. Es wird also jetzt das große Experiment beginnen, wenn ich ihr unverblümt die Wahrheit sage.
Er ging ihr nach ins Wohnzimmer, zog sich die Schuhe an, denn bei aller Freundschaft war das Kommende ein Anlaß, dem man nicht auf Strümpfen entgegengehen konnte. Gerda stand am Fenster, während sich Dr. Wehrmann herrichtete, und drehte die Gardine zwischen den Fingern.
»Haben Sie Nachricht von Micha?« fragte sie endlich. Dr. Wehrmann unterbrach das Binden der Schnürsenkelschleife.
»Ich? Wieso? Er hat mir bis heute nur eine Ansichtskarte aus Bangkok geschrieben mit dem ungeheuer intelligenten Satz: ›Mir geht es gut, hier scheint die Sonne, hoffentlich geht es Ihnen auch gut!‹ Eine bravouröse schriftstellerische Leistung; man sieht förmlich die Tropen vor sich.«
»Ich bin zu keinen Sarkasmen aufgelegt, Doktor!« rief Gerda mit schwankender Stimme. »Irgend etwas stimmt hier nicht. Ich komme von Dr. Corbeck. Er lügt mich an. Ich habe das feste Gefühl, daß er mich belügt. Er weiß etwas. Aber er beteuert: Keine Nachricht von Micha. Nach nunmehr zehn Tagen, Doktor, ich …«
»Soweit mir bekannt ist, gibt es im hinterindischen Dschungel keine Postämter, die ihre Briefkästen viermal täglich leeren.«
»Aber zehn Tage!«
»Er wird andere Sorgen haben, als zu schreiben: Mein Mäuschen, denk an das letzte Killekille.«
»Doktor!«
»Vielleicht erfreut ihn auch eine süße Eurasierin. Für mich ist eine solche Eurasierin stets der Inbegriff des Urweiblichen gewesen. Mit ihnen bevölkert stelle ich mir das Paradies vor.«
»Micha ist etwas zugestoßen.«
»Wer sagt Ihnen das?«
»Mein Gefühl.«
»Und sonst fühlen Sie nichts? Sie Glückliche!« Das war ein ehrlicher Ausruf. Dr. Wehrmann trank schnell sein Glas leer, der starke Alkohol zog brennend durch die Gurgel, die Speiseröhre, in den Magen. Es tat ausgesprochen wohl.
»Passen Sie mal auf, Gerda«, sagte er danach. »Ich bin zwar Junggeselle, aber gerade darum habe ich mir den wachen Blick erhalten. Eins müßt ihr Frauen euch abgewöhnen, denn damit vergrault ihr unweigerlich eure Männer: Das krampfhafte Festhalten an bestimmten Gewohnheiten und das Mißtrauen.«
»Ich bin nicht mißtrauisch. Ich habe Angst.«
»Das dürfte bei Ihnen nichts Neues sein«, sagte Dr. Wehrmann trocken. Gerda Pohland wirbelte herum.
»Sie sind gemein, gemein, gemein!« zischte sie. »Außerdem will ich Ihnen sagen, daß ich …«
»… daß Sie immer noch morgendliche Übelkeit haben und daß Ihr Monatszyklus ausgeblieben ist. Das machen die Pillen«, sagte Wehrmann doppelsinnig.
»Genau das sagte auch Dr. Dornburg.«
»Sehen Sie!«
»Und was kann man dagegen tun?«
»Nur abwarten. Nichts als abwarten, was da herauskommt.«
Gerda Pohland setzte sich. Nach der Erregung kam nun ein Stadium der Entspannung. Sie weinte plötzlich, und Dr. Wehrmann ließ sie weinen, unterbrach sie nicht, tröstete sie nicht; er wußte, daß sich alle Verkrampfungen am besten durch dieses Weinen lösten. Erst nach ein paar stillen Minuten setzte er ihr ein Glas mit Kognak hin und lehnte sich dann wieder stumm in sein Sofa zurück.
»Wenn nun Micha wirklich etwas geschehen ist?« fragte sie kläglich.
»Nehmen wir an, es sei so.« Dr. Wehrmann hob begütigend die Hand, als ihr Kopf hochzuckte und ihn fragend anstarrte. »Nein, nein, ich weiß nichts … ich sage: Nehmen wir an. Was bleibt Ihnen dann von Micha? Nüchterne Menschen werden darauf antworten: Oh, allerhand. Die Pohland-Werke, einige Millionen, ein sorgloses Leben, ein Landgut, eine Stadtvilla – und natürlich auch eine Urne. Sie wissen ja, daß Micha eingeäschert werden möchte.«
»Schweigen Sie, Doktor!« sagte Gerda kaum hörbar.
»Aber was bleibt Ihnen sonst von ihm persönlich? Die Erinnerung, das ist alles. Ist das genug für eine Frau, die einen Mann so liebt wie Sie?«
Gerda schloß die Augen. »Ich weiß, worauf Sie anspielen.« Ihre Stimme war erbärmlich und brüchig. »Wenn ich …«
»Ja, wenn Sie …«
»Ich werde nicht weiterleben, wenn Micha etwas geschehen ist«, sagte sie tief atmend. »Eben, weil ich ohne ihn völlig einsam sein werde.«
»Genau das hätten Sie sich früher überlegen sollen.«
»Das habe ich, Doktor. Ich habe es mir
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