Geliebter, betrogener Mann
nichts anderes tun könne, als abwarten. Man habe getan, was man tun konnte. Das einzige, was man noch fortsetzte, waren die Kontrollflüge der Hubschrauber. Aber sie galten mehr einem Waldbrand als der Suche nach vier kleinen Menschen.
Was ist schon ein Mensch? Selbst wenn du ein Staubkorn wärest, gingen Tausende auf eine Wimper Buddhas, sagte ein chinesischer Philosoph.
Gerda Pohland war auf Gut Heidfeld. Dr. Wehrmann war ständig um sie, eingedenk ihrer Äußerung, daß sie sich das Leben nehmen wolle, wenn Micha etwas geschehen würde.
Auch Dechant Bader kam jetzt ab und zu nach Heidfeld, freute sich über das Gedeihen der Petermann-Kinder und trank mit Gerda den Rotwein Pohlands.
»Weiß sie, daß sie ein Kind bekommt?« fragte er einmal Dr. Wehr mann, als sie allein vor dem Kamin saßen.
»Nein.«
»Wann wollen Sie ihr das sagen?«
»Wenn sie von sich aus sagt: Jetzt, wo Micha nicht wiederkommt, wäre es schön und ein Trost, von ihm ein Kind zu haben. – Darauf warte ich.«
»Und Sie meinen, sie sagt es?«
»Ja.«
»Und dann?«
»Dann wird alles so selbstverständlich sein … und wovor sie früher eine pathologische Angst hatte, wird ihr jetzt das höchste Glück bedeuten.«
»Bitten wir Gott darum«, sagte Dechant Bader leise.
Dr. Wehrmann nickte. Glücklich die Menschen, die Gott um alles bitten können, dachte er. Sie leben wirklich zufriedener.
Südlich des großen nördlichen Bogens, den der Fluß Mae Nam Song Khram bildet, liegt ein Gebiet von etwa 100 qkm dichtesten Dschungels. Hier führen keine Straßen hindurch. Keine Wege, nicht einmal Trampelpfade. Wer hier in die grüne Wildnis eindringen will, muß sich einen Weg durch Schilf und Bambus schlagen, muß über Mauern verfaulter Bäume klettern und über glitschigen, nach Verwesung stinkenden Boden tappen. Vom Himmel brennt eine gna denlose Sonne und saugt die Feuchtigkeit aus dem Dschungel, aber soviel, wie die tropischen Regen wieder hinab auf die Erde schleu dern, kann sie nicht verdunsten lassen. Und so ist die Luft prall voll Hitze und Feuchtigkeit, die sich auf die Lungen legt, die das Atmen schwermacht und auf das Herz drückt, auf das Hirn, auf die Ner ven; ein klimatischer Hexenkessel, in dem der Mensch gebraten und gedünstet wird, aufgeweicht und gleichzeitig ausgedörrt, bis er entkräftet irgendwo stirbt, überdeckt von Millionen von Fliegen und Mücken.
Unter einem Schutzdach aus geflochtenem Schilf, das von sechs dicken Bambusstangen gestützt wurde, lagen Michael Pohland und Dr.-Ing. Hans Heidkamp.
Heidkamp schlief. Er war verwundet worden. Ein Schuß hatte die rechte Schulter durchschlagen, aber zum Glück keinen Knochen verletzt. Es war ein Fleischschuß, schmerzhaft und stark blutend. Die beiden eingeborenen Träger hatten in den Minuten des Verschnaufens große Blätter in Wasser getaucht und sie so naß, wie sie waren, auf die blutenden Wunden gelegt. Dann hatten sie aus dem in Streifen gerissenen Hemd Heidkamps einen Verband darüber gelegt. In den ersten Stunden durchzog ein wahnsinniger beißender Schmerz die Schulter, aber die Wunden bluteten nicht mehr, und sie begannen auch nicht zu eitern. Das hatte Pohland befürchtet. Eiter und Fieber … das bedeutete den sicheren Tod für Dr. Heidkamp.
Nun lag er unter dem Schilfdach und schlief, erschöpft und vom Blutverlust geschwächt. Die beiden Eingeborenen waren auf Nahrungssuche. Sie hatten einjährige Bambussprößlinge abgeschnitten und angespitzt, die auf diese Weise zu einer fürchterlichen Waffe geworden waren; zu Speeren, die alles durchdrangen; zu großen Pfeilen, deren Spitzen absolut tödlich waren.
Michael Pohland lag neben Dr. Heidkamp und wälzte sich unruhig auf der Erde. Auch er war verletzt. Ein Streifschuß hatte ihm die Kopfhaut über der linken Schläfe aufgerissen. Auch er trug einen Verband aus nassen Blättern und Hemdfetzen. Nach vier Tagen Umherirrens im Dschungel waren sie hier, auf einer festen Insel inmitten eines stinkenden Sumpfes, kraftlos liegengeblieben. Die beiden Eingeborenen hatten diesen Platz ausgesucht. Ihr Naturinstinkt sagte ihnen, daß sie hier sicher seien. Rundherum Sumpf, zur Insel nur ein schmaler Pfad, den man gut verteidigen konnte. Es war wie eine Festung, die uneinnehmbar war.
Dreimal kreisten Hubschrauber über ihrem Versteck. Pohland war aus dem Schilfdach hervorgekrochen und hatte mit seiner Hose gewinkt. Nackt stand er im dichten Schilf und schwenkte sie hin und her. Dr. Heidkamp versuchte neben ihm, ein
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