Geliebter, betrogener Mann
immer vorgesagt … aber dann war das andere stärker … Nun könnte es zu spät sein.«
»Allerdings.«
Das Telefon schellte. Dr. Wehrmann erhob sich seufzend und ging in Gedanken die Patienten ab, die ihn rufen könnten. Es blieb nur die Frau Direktor Starke übrig. Sie hatte einen roten Fleck auf ihrem Bauch entdeckt und war darüber so entsetzt, daß sie Wehrmann stündlich anrief und ihm von angeblichen Veränderungen des Fleckes erzählte. Beim letzten Gespräch hatte Wehrmann grob gesagt: »Meine Diagnose ist klar; Sie haben den Rotlauf.« Darauf hatte er drei Stunden Ruhe. Jetzt rief Frau Starke bestimmt wieder an.
Am Apparat war Dr. Corbeck. Wehrmann hörte den ersten Satz, dann wurde er merklich ernster und verfärbte sich etwas.
»Einen Augenblick, gnädige Frau«, sagte er zu Dr. Corbeck, der sich darüber sehr wunderte. »Ich schließe den Apparat im Sprechzimmer an. Einen Moment …«
Dr. Wehrmann trug den Apparat hinüber in die Ordination und meldete sich wieder.
»Frau Pohland ist bei mir, Doktor. Darum nannte ich Sie gnädige Frau, so, und nun berichten Sie. Ich gestehe, ich habe weiche Knie bekommen. Lesen Sie mir mal das Fernschreiben der deutschen Botschaft in Bangkok langsam vor.«
Bleich hörte Dr. Wehrmann die Meldung. Auch er brauchte eine ganze Zeit, um alles zu begreifen. Dr. Corbeck rüttelte ihn auf, als er fragte:
»Doktor Wehrmann! Sind Sie noch da?«
»Ja. Ich weiß nur nicht, was ich sagen soll.«
»Das wissen wir alle nicht. Wir haben sofort in Bonn nachgefragt, aber die haben auch noch keine nähere Information. Man sucht nach den Vermißten, das ist alles. Man weiß nicht einmal, ob sie gefangengenommen worden sind und ob die Rebellen sie nun mit sich herumschleppen, oder ob man sie einfach umgebracht und in den Sumpf versenkt hat. Der Dschungel hat sie aufgesaugt wie ein Schwamm einen Wassertropfen.«
»Und nun soll ich es Frau Pohland beibringen?«
»Gerade das wollte ich Sie fragen, Doktor.« Dr. Corbecks Stimme zitterte vor Erregung. »Noch ist die Presse nicht unterrichtet, und alles ist geheim. Aber es wird sich nicht vermeiden lassen, daß ausländische Agenturen davon Wind bekommen. Und dann ist der Teufel los. Stellen Sie sich vor: Frau Pohland erfährt durch die Zeitungen vom Schicksal ihres Mannes …«
»Das ist völlig ausgeschlossen. Sie begeht sofort Selbstmord.«
»Nein!« schrie Dr. Corbeck.
»Sie hat es mir vor zehn Minuten klipp und klar gesagt. Sie hat eine dumpfe Ahnung … Frauen haben öfter solche unbestimmbaren Gefühle.«
»Dann müssen Sie ihr jetzt die Wahrheit sagen, Doktor!« rief Dr. Corbeck wie verzweifelt.
»Ich! Immer ich! Es ist zum Kotzen!« Dr. Wehrmann raufte sich die Löwenmähne. »Ich bin Arzt.«
»Eben! Sie können sofort handeln, wenn …«
»Ich will's versuchen.« Dr. Wehrmann starrte gegen die Wand. Ein Kalender mit einem Farbbild des Matterhorns hing dort. Versuchen, dachte er. Was soll ich da versuchen? Wie sagt man so etwas einer Frau, die zudem noch schwanger ist und auch das nicht weiß?
Er nahm seinen Telefonapparat wieder in die Hand, trug ihn hinüber zum Wohnzimmer und steckte ihn wieder um. Gerda Pohland saß noch immer in ihrem Sessel und sah starr vor sich hin. Als Wehrmann eintrat, hob sie leicht den Kopf.
»Sie müssen weg, nicht wahr, Doktor?« Sie erhob sich, als mache es Mühe, sich zu bewegen. »Ich habe Sie schon zu lange aufgehalten mit meinen Sorgen.«
»Aber nein, nein.« Dr. Wehrmann lief um die Sesselgruppe herum, als sei er ein Teil eines Karussells. Wie kann man es ihr sagen, dachte er immer wieder. Andeutungen erregen mehr als eine klare Mitteilung. Und wenn über die Auslandspresse wirklich in deutschen Zeitungen diese Meldung aus Bangkok steht, und das wird spätestens morgen früh sein, wird sie es in der ganzen Grausamkeit lesen. Allein um das zu verhindern, muß man es ihr jetzt sagen. Jetzt!
»Bitte, bleiben Sie noch, Gerda«, sagte Dr. Wehrmann. Seine Stimme war rauh und tonlos. Er wühlte sich wieder durch seine Löwenmähne und wich dem fragenden Blick Gerdas aus, die sich langsam wieder setzte.
»Sie wollten mir noch etwas sagen?« fragte sie, als Wehrmann, noch immer nach den richtigen Worten suchend, seinen Rundgang um die Sesselgruppe fortsetzte.
»Ja. Ich weiß nur nicht, wie ich es Ihnen sagen soll«, gestand er ehrlich.
»Sie haben doch sonst nicht um Worte gerungen, Doktor«, sagte sie mit leichtem Spott.
»Nie. Bei Gott nicht. Aber hier …« Dr. Wehrmann
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