Geliebter, betrogener Mann
sammelten; einen Käfer, der sich an einem Halm im Winde wiegte; einen Frosch, der auf einem Stein saß, den Hals aufblähte und laut quakte.
Von Michael Pohland kamen Telegramme, Briefe und Ferngespräche. Er rief aus Bombay an, aus Karatschi, aus Neu-Delhi, aus Rourkela, aus Benares und Kalkutta. Er erzählte von den Wunderstädten Indiens, dem Reichtum und der unvorstellbaren Armut, die nebeneinander wohnten, von den Leichenverbrennungen am Indus und den Türmen des Schweigens der Parsen – jenen Stätten, wo man die Toten den Geiern überließ.
Der letzte Brief kam aus Bangkok. Er war fünf Tage alt, und Michael Pohland schrieb:
»… übermorgen beginnt die Expedition in den Dschungel zu den großen Wasserfällen, die wir bändigen wollen. Der Weg führt durch Gebiete, die noch nie ein Mensch betreten hat. Man hat diese Wasserfälle ja auch zufällig vom Flugzeug aus entdeckt und vom Flugzeug aus auch den Weg und das unbekannte Land vermessen. Bis ungefähr 400 Kilometer vor die Wasserfälle führt eine Straße, aber dann heißt es, durch den Dschungel vordringen. Hab keine Sorge, mein Liebes! Wir sind mit den modernsten Geräten ausgerüstet. Riesige Bulldozer werden einen Weg durch den Dschungel walzen, Riesenbäume werden gesprengt, Flußläufe mit Montagebrücken überquert, Sümpfe mit sogenannten ›schwimmenden Straßen‹ entschärft. Aber soviel habe ich schon gesehen: Wenn wir dieses Projekt übernehmen, wird es heißen, ein Land von der Größe Deutschlands von Grund auf zu erschließen. Eine Aufgabe, vor der ich im Augenblick noch fassungslos und fasziniert stehe …«
Nach diesem Brief war Schweigen.
Gerda Pohland wartete acht Tage auf eine Nachricht, sie rief Dr. Corbeck in Ebenhagen an, aber auch dieser konnte nur sagen, daß die letzte Meldung aus Udon Thani, einer kleinen Stadt am Fluß Huai Luang, gekommen war. Das war die letzte Station vor dem unerforschten Gebiet, das nördlich an den großen Mekong stieß, dem Grenzfluß zwischen Thailand und Laos.
Gerda Pohland wurde von einer ungeheuren inneren Unruhe erfaßt. Es hielt sie nicht mehr in Oberholzen, weit ab von aller Welt. Ihre Übelkeit hatte sich gelegt, nicht aber das morgendliche Schwindelgefühl. Und noch etwas anderes erschreckte sie maßlos: Der monatliche Zyklus war ausgeblieben. Sie fand dafür keine Erklärung, bis Dr. Dornburg leichthin sagte: »Das würde ich nicht tragisch nehmen, gnädige Frau. Sie haben diese Antipillen abgesetzt, und nun stellt sich der verwunderte Körper wieder um. Der nächste Zyklus wird das bestätigen.«
Das war eine faustdicke Lüge, aber sie beruhigte Gerda etwas. Mit dem Nachtzug fuhr sie zurück nach Ebenhagen und kam an dem Morgen an, als die Meldung der deutschen Botschaft in Bangkok bei Dr. Corbeck auf den Tisch gelegt wurde.
Sie war knapp und nüchtern:
»Bei einem Überfall kommunistischer Rebellen, die über die Grenze bei Vientiane in das Gebiet des Flusses Mae Nam Song Khram eingesickert sein müssen, ist die Forschungsgruppe Pohland auseinandergesprengt worden. Während sich der Großteil sammeln konnte und in einem Gegenangriff die Rebellen zurückschlug, wird bis zur Stunde eine kleine Splittergruppe im Dschungel vermißt. Es handelt sich um vier Mann: zwei Eingeborene, einen Ingenieur namens Hans Heidkamp und den Leiter der Gruppe, Herrn Michael Pohland. Nach den Vermißten wird fieberhaft geforscht.«
Dr. Corbeck las die Meldung ein paarmal durch und war so gelähmt, daß er weder zum Telefon griff und die Direktoren herbeirief, noch eine Verbindung zum Auswärtigen Amt in Bonn versuchte. Er starrte auf das Fernschreiben und fühlte, als er sich mit der Hand über die Stirn strich, daß seine Haut über und über mit kaltem Schweiß bedeckt war.
Michael Pohland im Dschungel verschollen.
Von kommunistischen Rebellen gejagt.
Von gnadenlosen Eingeborenen mit der ganzen Grausamkeit asiatischen Hasses durch Sumpf, Bambuswälder und Wildnis gehetzt.
»Mein Gott«, sagte er nach einer Weile. »Mein Gott … was soll nun werden?«
Zehn Minuten später wurde ihm vom Pförtner die Ankunft Gerda Pohlands gemeldet. Dr. Corbeck schloß das Fernschreiben schnell in seine Schreibtischschublade ein. Er war sich klar darüber, daß er die Meldung vor Gerda Pohland verheimlichen mußte.
Nach einem arbeitsreichen Tag hatte sich Dr. Wehrmann gerade hingesetzt, die Schuhe ausgezogen, die Beine auf den Tisch gelegt und trank ein Glas Cordial médoc, als es Sturm klingelte und Ger da
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