Geliebter, betrogener Mann
räusperte sich und blieb ruckartig stehen. »Der Anruf eben, das war keine Patientin.«
»Nicht?«
»Nein, es war Dr. Corbeck.«
Er sah, wie Gerda erstarrte. Es war, als zöge Kälte vom Herzen aus durch alle Blutbahnen und vereise den Körper immer mehr bei jedem Pulsschlag.
»Was wollte er von Ihnen?«
»Er bat mich, mit Ihnen zu sprechen, Gerda.«
»Wegen … wegen Micha?« Es war wie ein Hauch, wie die letzte Lebenswärme, die aus dem erstarrten Körper wich.
»Ja«, sagte Dr. Wehrmann laut.
»Meine Ahnung …«
»Man weiß gar nichts, Gerda. Dr. Corbeck hat heute morgen eine Nachricht aus Bangkok bekommen. Micha ist mit noch drei anderen Männern im Dschungel vermißt.«
»Er … er ist tot«, sagte sie starr.
»Nein. Das nimmt man nicht an. Man sucht nach ihnen. Und solange man nichts von ihnen weiß, bleibt immer noch die Hoffnung.« Dr. Wehrmann schwieg. Wie dumm das alles klingt, dachte er. Wie dahergeredet. Warum machen wir uns dieses Theater vor? Wir denken doch alle das gleiche.
»Er ist tot«, wiederholte Gerda leise. »Ich … ich weiß, daß er tot ist …« Und plötzlich schrie sie, warf die Hände vor das Gesicht und legte den Kopf weit zurück auf die Sessellehne. »Er ist tot! Micha! Micha!«
Dr. Wehrmann rannte hinüber ins Ordinationszimmer, um eine Beruhigungsspritze zu holen. Aber sie war nicht mehr nötig. Als er zurückkam, lag Gerda quer über dem Sofa.
Auf dem Wege zur Tür war sie ohnmächtig zusammengebrochen.
In den nächsten Tagen und Nächten kam Dr. Corbeck nicht aus dem Anzug. Er saß in Pohlands Chefzimmer und hatte eine stän dige Verbindung nach Bangkok erreicht. In Abständen von mehreren Stunden schellte das Telefon, und ganz schwach, über mehrere tausend Kilometer hinweg, hörte er die Stimme eines thailändischen Offiziers, der in gepflegtem Englisch die neuesten Berichte durchgab.
Das zuerst verworrene Bild hatte sich geklärt.
Die Forschungsgruppe war in einen Hinterhalt geraten, als sie den Fluß Mae Nam Song Khram überquert hatte. In einem Schilfwald wurde sie plötzlich unter Feuer genommen, die begleitenden Soldaten waren die ersten, die fielen, weil sich der Überfall vor allem auf sie konzentrierte. Pohland, Dipl.-Ing. Dr. Heidkamp und zwei eingeborenen Trägern war es gelungen, sich seitlich in dem dichten Gestrüpp zu verstecken und dann aus dem Feuer zu kriechen. Das hatten die anderen, die sich nach alter militärischer Art einigelten, noch gesehen. Aber als die erste Überraschung vorüber war und die Überlebenden todesmutig zum Gegenangriff übergingen, fand man keine Spur mehr von Pohland und seinen Begleitern. Seit drei Tagen suchte man nun im unerforschten Dschungel. Luftlandetruppen aus der Garnison Muang Khon Kaen wurden über den riesigen Sumpfgebieten abgesetzt. Vom Flugplatz Udon Thani stiegen vier Hubschrauber auf und überflogen in niedriger Höhe die unbekannten Gebiete. Doch man fand und sah nichts als urwelthafte Wildnis, Flüsse, kleine Seen, Wasserfälle, Urwald, Dschungel, verfilzte Bambuswälder, ein Land voller Geheimnisse und unbekannter Gefahren.
Das war alles, was Dr. Corbeck in diesen Tagen und Nächten aus Bangkok hörte. Auch Bonn und das Auswärtige Amt hatten keine anderen Informationen. Die beiden Beamten des Ministeriums waren gerettet worden; in Udon Thani gaben sie das erste Presse-Interview und erzählten von den Rebellen, die wie Schatten durch das Schilf geglitten waren und Tod und Schrecken um sich verbreiteten. Der Militärgouverneur von Nong Khai hatte eine Strafexpedition angekündigt, aber sie war von Beginn an sinnlos, denn wen wollte man bestrafen? Die von Laos eingesickerten Rebellen waren längst wieder über die Grenze geflüchtet oder sie strolchten durch den Dschungel, in kleinen, schwerbewaffneten Gruppen. Nur wer den hinterasiatischen Dschungel kennt, weiß, wie unmöglich es ist, in dieser Wildnis aus Sumpf und üppigen Pflanzen, in denen ein Mensch unsichtbar wird wie ein Wurm im hohen Gras, eine Handvoll Männer aufzuspüren. Nur, wen der Dschungel selbst wieder ausspie, war dem Leben wiedergegeben. Wer in ihm blieb, der war für immer verschollen.
Die Berichte in der Presse hielten drei Tage an, dann war das kleine Drama am Fluß Mae Nam Song Khram vergessen. Es gab wichtigere Meldungen als das Verschwinden von vier Menschen, auch wenn es sich um einen Michael Pohland handelte. Selbst die Berichte aus Bangkok rissen ab. Der Befehlshaber der Truppen in Udon Thani ließ sagen, daß man
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