Geliebter, betrogener Mann
gleichen Höflichkeit wird er Ihnen einen Genickschuß geben, wenn es nötig sein sollte. Verzeihen Sie, Sir, aber es wird nicht weh tun. Sie hören nicht einmal den Knall. Bitte, knien Sie nieder, und entschuldigen Sie, daß der Lauf der Pistole etwas kalt ist und für eine Sekunde Ihren Nacken kitzelt …«
»Sie haben einen ausgesprochen schwarzen Humor, Chef.« Hans Heidkamp stolperte weiter durch das Bambusgestrüpp. Der Hubschrauber entfernte sich schnell. Er war auf einem Routineflug, er suchte nicht mehr.
Sie schlugen sich bis zum plötzlichen Einbruch der Dunkelheit durch den Dschungel. Dann trafen sie auf ein kleines Lager. Zwanzig Soldaten begrüßten den Oberst, strammstehend, Meldung machend, zackig. Hans Heidkamp schüttelte den Kopf.
»Ob in der Wahner Heide oder im Dschungel: Kommiß bleibt Kommiß. Himmel noch mal, ist unser Leben beschissen!«
Er sank auf einen Blätterberg und schlief sofort vor Erschöpfung ein.
Über einen Monat war Michael Pohland nun vermißt. Dr. Corbeck und Gerda Pohland hatten sowohl vom Außenministerium als auch aus Bangkok die Versicherung erhalten, daß man alles tun würde, um Licht in die Angelegenheit zu bringen. Man müsse sich aber mit der tragischen Tatsache abfinden, daß mit einem Ableben von Pohland und Heidkamp zu rechnen sei, denn alle Suchaktio nen seien erfolglos verlaufen, und aus dem Dschungel seien sie auch nicht herausgekommen. Da sie keinerlei Ausrüstungsgegenstände bei sich hatten, keine Waffen, kein Werkzeug, nichts als das, was sie auf dem Leib trugen, wäre ein Überleben im Dschungel über diesen Zeitraum hinweg unmöglich. Die grüne Hölle hatte sie verschlun gen.
Eines Abends besuchte Dechant Bader ohne Anmeldung Gerda Pohland. Er traf sie im Kaminzimmer an. Sie saß allein im Sessel, starrte in die Flammen und trug ein enganliegendes schwarzes Kleid. Die ganze Verlorenheit und einsame Trauer tat sich vor Dechant Bader auf, als er das dunkle, große Zimmer betrat, in dem die schmale, zusammengesunkene Gestalt vor den knisternden Flammen hockte. Das goldblonde Haar war der einzige leuchtende Farbfleck in der fahlen Dumpfheit, ein Hauch von Leben, ein Goldglanz des gestorbenen Glückes.
»Kommen Sie näher, Herr Dechant«, sagte Gerda, als Bader unschlüssig an der Tür stehen blieb. Ihre Stimme hatte den fröhlichen, singenden Klang verloren. Sie klang hohl und unendlich müde. »Wollen Sie mir Trost bringen? Es gibt keinen Trost mehr für mich.«
»Es irrt der Mensch, solang er lebt«, antwortete Dechant Bader. Er wußte im Augenblick keine anderen Worte als dieses Zitat. Mit einem frommen Spruch zu kommen, hielt er selbst für unangebracht. Gott kann den Gläubigen ein Trost sein, nicht den Leeren, den Ausgebrannten, den sich selbst und alles Hassenden.
Gerda Pohland zeigte auf den Sessel, der ihr gegenüberstand. Dechant Bader setzte sich und faltete die Hände im Schoß.
»Bitte, beten Sie jetzt nicht«, sagte Gerda leise. Aber es war eine wilde Auflehnung. Bader spürte es und schüttelte den Kopf.
»Ich will nur mit Ihnen sprechen, Frau Gerda. Nicht als Ihr Pfarrer, sondern einfach von Mensch zu Mensch.«
Gerda richtete sich auf. »Was darf ich Ihnen anbieten, Herr Dechant?« Sie wollte aufstehen, aber Bader wehrte mit einer Handbewegung ab.
»Nichts zu trinken und nichts zu essen. Danke.«
»Gar nichts?«
»Doch. Sie können mir etwas anbieten …«
»Und das ist?«
»Ihr Herz.«
Gerda senkte den Kopf und kroch in sich zusammen. »Es ist bitter, Sie würden keinen Geschmack daran haben.« Sie versuchte ein schwaches Lächeln, hinter dem die Tränen schimmerten. »Ein Kognak wäre besser, Herr Dechant.«
»Warum schließen Sie sich so ab, Frau Gerda?«
»Ich habe es nicht anders gewollt.«
»Es ist durchaus nicht im Sinne Michaels, und er wäre betroffen, wenn er wüßte …«
»Bitte!« Sie hob flehend die Hände. »Sprechen Sie nicht so, als ob Michael noch lebte.«
»Keiner weiß etwas Genaues.«
»Ich aber fühle es. Er kommt nicht wieder.« Sie sah wieder in die Flammen, als habe sie Sehnsucht, daß sie von ihnen verbrannt würde. »Ich habe nie an diese Möglichkeit gedacht … ich war zu glücklich, zu selbstherrlich, zu feige und zu ängstlich … Erst als Micha wegfuhr, ahnte ich, daß es eine große Einsamkeit geben könnte … jetzt weiß ich, was sie bedeutet. Alles um mich herum atmet sein Leben – aber es sind tote Gegenstände. Nichts Lebendes habe ich von ihm. Und es ist meine Schuld, ganz allein
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