Geliebter, betrogener Mann
meine Schuld.«
»Davon könnte Sie niemand freisprechen«, sagte Bader. Er sagte ›könnte‹, aber Gerda erkannte nicht diese Einschränkung. Sie nickte langsam, müde.
»Ich weiß. Erkenntnisse kommen meist zu spät. Wenn Micha jetzt hier wäre … ich … ich würde vor seinen Augen etwas vernichten, und ich täte es freudig.«
»Ihre Anti-Baby-Pillen?«
»Sie wissen davon?« Gerdas Kopf zuckte hoch.
»Doktor Wehrmann hat mich ins Vertrauen gezogen. Priester und Arzt sollten immer zusammenhalten. Im Altertum waren sie ja beides in einer Person.«
»Dann brauche ich keine großen Worte mehr zu machen. Sie wissen, warum ich mich abschließe.« Sie beugte sich wieder vor, und Dechant Bader zog ein Bein an, um zuzuspringen, falls sie sich in den Kamin stürzen würde. Die Flammen zuckten über ihr bleiches Gesicht, die schönen, blauen Augen waren weit und starr.
»Sie wären jetzt glücklich, wenn Sie ein Kind von Michael hätten«, sagte er leise.
Sie nickte stumm.
»Und Ihre Angst?«
»Ich hätte keine Angst mehr.«
»Der Gedanke an Theodora?«
»Er wäre kein Schrecken mehr. Und wenn es ein Kind wäre wie Tutti … es wäre sein Kind, Herr Dechant. Es wäre sein Leben …«
Dechant Bader hielt einen Augenblick den Atem an. Dann beugte er sich gleichfalls vor und nahm allen Mut zusammen. Er, der bärenstarke Mann, hatte für Sekunden das Gefühl, über einer dünnen Eisdecke zu balancieren, so dünn, daß er das Wasser sah und die Tiefe, die ihn verschlingen würde, wenn er durchbrach.
»Ich komme von Doktor Wehrmann. Genauer gesagt: Doktor Wehrmann ist auch hier. Er wartet bei den Petermanns auf mich. Er hat es mir überlassen, es Ihnen zu sagen … Sie tragen von Michael ein Kind … im zweiten Monat …«
Gerdas Kopf wandte sich langsam dem Pfarrer zu. Ein langer Blick traf ihn, gefesselt von Unglauben und wilder Erregung. Dechant Bader nickte schwer.
»Ja, es ist so, Gerda.« Seine Stimme war trocken und brüchig. »Wehrmann hat es mir gestanden. Er hat vor drei Monaten schon die Pillen gegen harmlose Kalkpillen umgetauscht …«
Lautlos glitt Gerda aus dem tiefen Sessel in die Arme Baders. Die Ohnmacht erstickte ihren Aufschrei.
Sie waren ärztlich versorgt worden, hatten richtige Verbände be kommen, Tetanusspritzen und Penicillininjektionen, sie hatten geschlafen, Hammellende gegessen mit gedünstetem, rundkörnigem Reis und waren in die Kleider geschlüpft, die ein stummer Offizier ihnen brachte. Nun sahen sie aus wie die Revolutionssoldaten. Sie trugen Fallschirmjägerhosen, Stiefel mit dicken Gummisohlen, eine Art Feldbluse mit großen Taschen und eine Mütze, die an die Kopf bedeckung der Gebirgsjäger erinnerte. Alles war aus grünem Drillichstoff, mit braunen und sandgelben Farbflecken bedruckt.
Hans Heidkamp sah an sich herunter und schüttelte den Kopf. »Und ich hatte geschworen, nie mehr im Leben eine Uniform anzuziehen. In Hinterindien muß mir das passieren. Wenn das alles nicht so traurig wäre, könnte es ein guter Witz sein.«
Oberst Nam Ngoi Phu erschien in der Bambushütte, um sich nach dem Wohlbefinden zu erkundigen. »Der General erwartet Sie, Sirs«, sagte er. »Man hat Sie übrigens aufgegeben. Das ist die neueste Meldung aus Bangkok.«
»Also lebende Leichen«, sagte Pohland bitter.
»Kann Ihnen Besseres widerfahren, Sir?« Nam Ngoi Phu lächelte breit und zufrieden. »Die besten Werke sind die, die in der Stille reifen. Darf ich bitten?«
Er trat zur Seite. Pohland nickte Heidkamp zu.
»Jetzt beginnt unser zweites Leben, Heidkamp.«
»Wenn ich an Frieda denke …« Heidkamp sah bedrückt zu Boden. »Sie wird nicht glauben, daß ich tot bin.«
Pohland antwortete nicht. Was wird Gerda denken, fuhr es ihm durch den Kopf. Wie hat sie die Nachricht aufgenommen? Sie wird jetzt vielleicht über vieles nachzudenken haben, vor allem über die Zeit des Glücks, das sie belogen hat.
Er straffte sich, klopfte Heidkamp gegen den Rücken und ging zuerst hinaus aus der Hütte. Ein kleines Heerlager umgab ihn; grün uniformierte Soldaten, wohin er blickte, Bambushütten; Zelte, durch Netze getarnt; Höhlen in den vom Dschungel überwucherten Felsen, Erdbunker, Stapel von Material, ebenfalls durch Netze mit eingesteckten Zweigen getarnt.
General Nai Tuan Dien war ein kleiner, zierlicher Mann mit einem glatten Gesicht und weißen Augenbrauen. Er saß hinter einem Klapptisch, als Pohland, Heidkamp und Nam Ngoi Phu in seine Hütte traten, und schrieb mit einem Füllhalter. Er
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