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Geliebter Boss

Geliebter Boss

Titel: Geliebter Boss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Hanns Roesler
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aufs Zimmer stellen lassen. Ich habe einfach kein Talent zur Privatsekretärin, wie Sie sich sie wünschen, ich bin für das Wochenende das untalentierteste Freudenmädchen, das Sie mitnehmen können. Ich weiß überhaupt noch nicht, ob ich ein Mädchen bin. Ich habe es noch nicht ausprobiert. Nicht aus Moral, das wäre albern. Aber es ergab sich noch keine Gelegenheit. Ich bin dem Mann noch nicht begegnet, ich habe ihn noch nicht einmal von weitem gesehen, zu dem ich sagen möchte: Komm, wir gehen zusammen schlafen! Ich weiß gar nicht, wie er aussehen wird, wie er aussehen soll, aber so wie Sie — das weiß ich — sieht er bestimmt nicht aus. Nicht oben, nicht unten, nicht in der Mitte!
    »Ich warte noch immer auf Ihre Antwort«, sagt Graßmann.
    »Auf welche Antwort?«
    »Ob Sie meine Privatsekretärin werden wollen.«
    »Bezahlung über Tarif?«
    »Selbstverständlich.«
    »Vierzehn Gehälter? Sechs Wochen Urlaub?«
    »Bewilligt.«
    »Garderobe wird gestellt?«
    »Abendkleider, Reisekostüm — Schuhe von Jourdan , Strümpfe von Dior.«
    »Probezeit drei Tage?«
    »Das ist üblich.«
    »In einem Hotel in Paris?«
    »London — Rom — Sie können sich die Stadt aussuchen.«
    »Und wenn Sie feststellen müssen, daß ich mich leider doch nicht für den Posten eigne?«
    Graßmann ist aufgestanden.
    Er tritt nahe zu Birke.
    »Ich täusche mich selten.«
    Er legt einen Arm auf ihre Schulter.
    Birke drückt den Knopf des Hausapparates: »Direktor Graßmann läßt fragen, wo Herr Seiler bleibt!«
    Die Antwort aus dem kleinen weißen Lautsprecher:
    »Herr Seiler ist bereits unterwegs.«
    In diesem Augenblick klopft es an der Tür.
    Graßmann tritt von Birke zurück.
    »Herein!«
    Es ist Kassierer Seiler. Er hat die Empfangsbescheinigung auf den Geldscheinen liegen.
    »Der Ordnung halber«, sagt er und legt die Quittung zur Abzeichnung vor Graßmann auf den Tisch.
    Graßmann schiebt das Blatt zu Birke hinüber.
    »Unterschreiben Sie!«
    Birke sagt:
    »Ich komme nicht vor einer Stunde aus der Bank — ich kann meinen Tisch nicht unaufgeräumt zurücklassen und muß meinen Platz noch für meine Urlaubsvertretung herrichten.«
    »Es genügt, wenn das Geld um sieben Uhr im Hotel ist.«
    »Kann nicht Herr Seiler ins Hotel gehen?«
    Herr Seiler ist seit 34 Jahren Erster Kassierer in der Bank. Er ist über die Zumutung, Kassenbote zu spielen, empört. Er sucht nach einer Ausrede.
    »Wir haben heute Theaterkarten. Ich muß zuvor heimfahren und mich umziehen. Sonst herzlich gern.«
    Er schiebt die Empfangsbestätigung näher zu Fräulein Schulz hinüber, reicht ihr den Kugelschreiber:
    »Hier, bitte...«
    Birke liest:
    »DM 60 000 (in Worten sechzigtausend) in bar erhalten zu haben, bescheinigt...«
    Birke unterschreibt. Birke Schulz.
    »Die Empfangsbestätigung des Kunden können Sie mir morgen früh übergeben, Fräulein Schulz«, sagt der Kassierer.
    »Fräulein Schulz fährt morgen früh in Urlaub. Sie wirft die Quittung in unseren Nachttresor.«
    »In Ordnung. Wollen Sie bitte nachzählen, Fräulein Schulz?« Der Kassierer breitet das Geld vor Birke aus. Es sind zwölf Banderolen mit je 5000 in Hundertmarkscheinen.
    Während Birke zählt, fragt Graßmann:
    »Was sehen Sie sich heute abend an?«
    »Pariser Leben.«
    »Von Offenbach?«
    »Ja. Wir haben ein Abonnement.«
    »Waren Sie schon einmal in Paris?«
    »Im Krieg.«
    »Paris ist im Frieden schöner.«
    »Im Krieg bekam ich die Fahrkarte vom Staat, als Landser. Heute ist das ein zu teurer Spaß für mich.«
    »Möchten Sie Paris wiedersehen?«
    »Und wenn ich zu Fuß hinlaufen müßte. Für mich ist Paris die schönste Stadt der Welt.«
    »Hören Sie, Fräulein Schulz?«
    »Achtundvierzig, neunundvierzig, fünfzig!« zählt Birke laut. Sie ist bei der vorletzten Banderole. Sie hat sonst mit Bargeld wenig zu tun. Der große Betrag, für den sie jetzt einstehen muß, verwirrt sie. Sie verzählt sich. Beginnt das vorletzte Bündel noch einmal von vorn zu zählen. Endlich hat sie es geschafft und atmet erlöst auf.
    »Darf ich mir einen Umschlag holen?«
    »Nehmen Sie diesen!« sagt Graßmann und reicht ihr ein großes starkes Kuvert mit dem Aufdruck der Bank.
    »Brauchen Sie mich noch, Herr Direktor?« fragt Seiler.
    »Nein. Danke. Und viel Vergnügen heute abend mit Ihrer Frau im Pariser Leben!«
    »Danke. Guten Abend!«
    Während er geht, bemüht sich Birke, das Geld in dem Umschlag unterzubringen.
    »Kommen Sie — ich helfe Ihnen.«
    »Danke. Es geht schon.«
    Graßmann

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