Geliebter Boss
lacht.
»Du hast mich noch nicht in Gala und Glanz gesehen! Du wirst staunen! Das hier ist mein Arbeitsanzug! Auch den Bart lasse ich mir abnehmen. Wenn ich dann mit dir am Arm die große Hoteltreppe in London hinunterschreite, und alle verneigen sich vor uns, und du trägst ein großes Abendkleid mit einer lila Orchidee — und alles von dem Geld, das wir hier haben...«
Er klopft sich übermütig auf die Hosentasche und fügt hinzu: »Bist du denn nicht bereit, mit mir zu teilen? Warum willst du alles für dich behalten?«
»Ich hätte das Geld im Hotel abgeliefert!«
»Wozu dann die Unterschriften, mein Schätzchen? Du hattest doch die Quittungen bereits unterschrieben. Warum erzählst du mir also das Märchen, daß du das Geld abgeliefert hättest?«
Sie beginnt zu weinen. Sie will nicht weinen, aber sie kann es nicht verhindern. Die Tränen stürzen ihr aus den Augen. Er reißt sie hart herum.
»Du stehst hier nicht vor deinem Richter! Heul dann, wenn es soweit ist! Vielleicht bringt dir das mildernde Umstände. Und jetzt paß auf, was ich dir zu sagen habe! Wann mußt du die Quittung abliefern?«
»Heute nacht noch.«
»Also im Nachttresor?«
»Ja.«
»Das tun wir auch. Dann nehmen wir den Nachtzug, und bis morgen sind wir längst über die Grenze.«
»Sie werden sofort die Fälschung erkennen. Außerdem wird Herr Zanders anrufen, wenn er das Geld nicht bekommen hat.«
Der Mann mit den 60 000 Mark in der Hosentasche nickte.
»Ja. Morgen früh, wenn er ausgeschlafen hat. Dann ruft er die Bank an, und man wird ihm sagen, daß man ihm das Geld geschickt hat. Er wird es bestreiten, und man wird ihm sagen: die Quittung lag im Nachttresor. >Welche Quittung?< wird er fragen. >Die Sie eigenhändig unterschrieben haben!< — >Ich habe nichts unterschrieben! Ich komme sogleich zu Ihnen hinüber. Dann frühstückt er, wenn er noch nicht gefrühstückt hat, darüber vergeht wieder Zeit, dann fährt er zur Bank, auch das dauert, vom Hotel bis hierher sind vier Kreuzungen mit Rotlicht — und wenn er dann endlich hier erscheint und ihm die Quittung vorgelegt wird, die sich als Fälschung herausstellt, dann sind wir längst über die Grenze, inzwischen hast du längst eine andere Haarfarbe, eine neue Frisur, andere Kleider, andere Hüte, einen anderen Namen —, den Wettlauf mit den Verfolgern gewinnen zu über fünfzig Prozent die Verfolgten, sonst möchte ja keiner in unserem Beruf arbeiten.«
In dieser Minute geschieht etwas, was dieser Mann nicht erwartet hatte. Birke ist zum Tisch gesprungen, hat die Quittungen an sich gerissen und reißt sie, ehe er es verhindern kann, mittendurch. In lauter kleine Stücke.
»Aus der Traum!« ruft sie. »Wo sind jetzt die Unterschriften?«
Der Mann schaut ihr unerschüttert zu.
Er lächelt sogar.
»Dummes Täubchen!« sagt er.
Er hat die letzte Quittung in seiner Hand, die Originalschrift aus der Schreibmaschine, die noch nicht unterschrieben ist, die Birke noch nicht unterschrieben hatte.
»DM 60 000,— (in Worten: Sechzigtausend) in bar erhalten zu haben, bescheinigt...«
Er beugt sich über den Tisch, nimmt einen Kugelschreiber. Unterschreibt:
»Peter Zanders.«
Birke starrt auf das Blatt.
»Sie ist völlig unähnlich«, triumphiert sie.
»Findest du?«
»Sieht ganz anders aus!«
»Darüber sollen sich dann die Schriftsachverständigen den Kopf zerbrechen, ob sie die Unterschrift anerkennen wollen oder nicht. Auch diese Feststellung braucht wieder ihre Zeit und schenkt uns weitere Stunden, wenn nicht Tage.«
Er faltet das Blatt zusammen, nimmt einen Umschlag mit dem Aufdruck der Bank und schiebt die Quittung hinein.
»Beim Weggehen werfen wir das Kuvert in den Nachttresor«, sagt er und schiebt das Kuvert in die Tasche, »und jetzt die Frage: Wohin fahren wir?«
»Mit Ihnen fahre ich überhaupt nicht!«
»Das wird sich schwer vermeiden lassen.«
»Ich werde der Polizei alles erzählen, wie es war.«
»Und die Polizei wird dir alles glauben, was du erzählst. Der unbekannte Fremde, der in die Bank eingedrungen ist, der dich gehindert hat, das Geld ins Hotel zu tragen, wie du dich gewehrt hast, wie du geschrien hast — du hast doch geschrien, oder hast du nicht geschrien? Ja, richtig, du hast nicht geschrien...«
»Die Wahrheit kommt immer ans Licht.«
»Manchmal. Nicht immer. Aber wann? Inzwischen findet man die zerrissenen gefälschten Unterschriften im Papierkorb, den Rest des verbrannten Hundertmarkscheines. Du befindest dich also in einer sehr
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