Geliebter Boss
der Tür des Friseursalons Molltaschel steht ein großer weißer Impala, das neueste Modell. Es ist ein Traumwagen und nimmt fast die ganze Front des Geschäftes ein. Rotes Leder und 200 PS.
Sie steigen ein.
»Du hast mir noch nicht gesagt, wie dir meine neue Frisur gefällt«, sagt Birke, während der Wagen langsam anfährt.
»Ich habe meine Bewunderung bereits zum Ausdruck gebracht.«
»Wann?«
»Als ich dir diese Blume überreichte.«
»Ist das eine lebende Blume?«
»Der Züchter versicherte es mir. Aber vielleicht sind es nur Gänseblümchen, die er so geschickt gepreßt hat.«
»Sie sieht sehr kostbar aus.«
»Darin gleicht sie dir. Auch Gänseblümchen können kostbar sein.«
Sie muß über die Antwort nachdenken. Sie fahren durch die Kärntner Straße, biegen vor dem Stephansdom nach links ab, fahren über den Graben, an der Pestsäule vorbei. Der Graben ist um diese Stunde sehr belebt. Sie fahren im Schritt, an den Buchläden, Juwelieren, dem Hemdenmacher König vorbei, bei der Augartener Porzellanmanufaktur, an Braun vorüber, der heute noch in Karlsbad auf der Alten Wiese eine Filiale hat. Leise Musik tönt aus dem Radio, es ist ein Glücksgefühl besonderer Art für Birke, in so einem Traumwagen zu sitzen, auch wenn er ihnen nicht gehört, geliehen für ein paar Tage, aber ganz Wien ist ihr ja auch nur geliehen für ein paar Tage. Der Wagen gehört genauso zum Märchen dieser Stadt wie der Mann neben ihr.
»Wohin fahren wir?«
»Kleider kaufen.«
»Die Geschäfte sind längst geschlossen.«
»Der Laden, wo ich einkaufe, hat noch offen.«
Sie biegen beim Kohlmarkt kurz vor dem Michaelerplatz die erste Straße rechts ein. Es ist eine kurze Straße. Der Impala hält vor einem alten Palais.
»Hier?« fragt Birke verwundert.
»Sie verkaufen im ersten Stock.«
Es ist der Salon Eckersberger , in den sie eintreten.
Die Modeschau hat bereits begonnen. Sie kommen ungefragt zur Tür herein, bleiben stehen, Zanders hält Ausschau nach einem freien Platz, aber alle Stühle sind besetzt. Nur wenige Herren sind anwesend, sie stehen hinter den Stühlen der Zuschauerinnen. Zanders entdeckt ein niederes Taburett neben einer roten Causeuse, einem kleinen roten Sofa, auf dem zwei ältere Damen sitzen, die beiden Gräfinnen Schönberg, wie sich später herausstellt, deren Nichte Ines heute hier mit sechs anderen jungen Mädchen vorführt. Ein honigfarbener Nerz liegt neben der älteren. Zanders führt Birke leise zu diesem winzigen, lehnenlosen niederen Sessel. Bleibt hinter ihr stehen.
Es tritt eine Pause in der Vorführung ein. Cocktails werden gereicht, kleine Sandwiches mit Lachs und Gänseleber und Kaviar auf süßem Milchbrot, wie sie die berühmte Konditorei Demel von nebenan herübergeschickt hat. Die Herren rauchen. Als sich Zanders eine Zigarette anzünden will, aus seinem schmalen goldenen Etui, das er lässig aus der Tasche zieht, reicht ihm ein Fremder neben ihm beflissen Feuer.
»Danke«, sagt Zanders und sieht den Fremden abweisend an.
Birke wundert sich über den Ausdruck in Zanders’ Gesicht. Und noch etwas fällt ihr auf: die goldene Tabatiere in Zanders’ Hand. Sie wendet sich zurück und fragt:
»Gibst du mir auch eine Zigarette?« Er reicht ihr die Dose. Sie nimmt sie ihm aus der Hand und betrachtet sie. In die Tabatiere ist eine Krone eingraviert. Darunter drei unleserliche Buchstaben, die einer mit einem scharfen Gegenstand hineingekratzt hat.
»Eine schöne Dose!« sagt Birke anzüglich und gibt ihm, ohne eine Zigarette zu entnehmen, die Tabatiere zurück. »Hast du mehrere davon?«
»Zwei«, sagt Zanders. »Die andere befindet sich im Augenblick in guten Händen.«
Er legt seine Hand auf ihre Schulter und beugt sich zu ihr hinunter.
»Gefällt sie dir? Sie gehört dir.«
»Woher stammt sie?«
»Von meinem Vorbesitzer«, sagte er amüsiert und lacht, »sie steckte in meinem Anzug, den sie mir im Hotel aufgehoben haben, während ich in Linz war.«
Er öffnet ihre Handtasche und legt die goldene Dose hinein.
»Eine Bedingung!« sagt er. »Sie gehört dir, solange ich dich liebe. Wenn wir uns trennen, gibst du sie mir zurück.«
Sie reicht ihm die Dose zurück.
»Dann behalte sie gleich! Das mit der mitteleuropäischen Danksagung war ein Irrtum.«
»Ein beglückender. Ich halte mich daran.«
Er öffnet zum zweitenmal die Tasche und legt die Dose hinein.
»Sie wird dir fehlen«, sagt Birke.
»Ich habe ja die andere. Die hole ich mir gelegentlich.«
Die Modeschau geht
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