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Geliebter Boss

Geliebter Boss

Titel: Geliebter Boss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Hanns Roesler
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an der Oper vorbei durch die Kärntner Straße gegangen, als wäre sie nicht erst vor wenigen Stunden in Wien am Westbahnhof angekommen und hätte auf der Mariahilfer Straße Ziegelsteine in Zeitungspapier gepackt. Auf dem Weg hierher in den Salon Molltaschel hat der Boß sie begleitet und ihr alle die modischen Accessoires gekauft. Sehr gegen ihren Willen und doch sehr zu ihrem Vergnügen. Welche Frau kann einer neuen Handtasche, einem luftigen Strohhut widerstehen? Nur mit dem Sonnenschirm, mit dem weiß sie nichts anzufangen. Er ist ihr überall im Wege. Zum Schluß hat sie ihn wie einen Spazierstock genommen und ist so durch die Kärntner Straße gestapft. Die Leute haben ihr nachgeschaut, und zwei Damen haben es ihr sofort nachgemacht. Nämlich als neueste Mode, einen Sonnenschirm so zu tragen.

    Als sie in den Salon eintritt, kommt Herr Molltaschel ihr fragenden Blicks entgegen.
    »Gnädige Frau sind angemeldet?« fragt er.
    »Vom Hotel Imperial.«
    »Bitte sehr, gnädige Frau. Sie können schon Platz nehmen.«
    Er führt sie in eine der kostbar ausgestatteten Kabinen mit dem rosafarbenen Waschbecken, die soeben frei geworden ist, nimmt ihr den Mantel und den Schirm ab und ruft:
    »Antoine! Hotel Imperial!«
    Antoine flitzt herbei. Er hat einen neuen Mantel angelegt. Er trägt bei jeder Kundin einen frischen Mantel. Ein kurzer Blick auf ihr Haar, das noch nie gefärbt war, genügt ihm. Sie muß eine Ausländerin sein, wahrscheinlich eine Deutsche. Er erkennt es am Haarschnitt. Während er Birke den Frisiermantel umlegt, beugt er sich zu ihr hinunter und versucht festzustellen, welches Parfüm die Dame benutzt. Das ist seine Gewohnheit. Er bemißt danach sein Benehmen und die Trinkgelder, die er zu erwarten hat. Als er sich wieder aufrichtet, bedauert er, durch den Namen des Hotels irregeführt worden zu sein. Kein Hauch von Parfüm. Sein Gesicht bekommt einen abweisenden Ausdruck.
    »Eine Färbung, gnädige Frau?« fragt er unverbindlich.
    »Ja. Ich hätte überhaupt gern eine neue Frisur.«
    »Sehr wohl.«
    Er geht zur Kasse und bringt ein paar Haarjournale.
    »Haben Sie einen besonderen Wunsch? Wollen Sie sich vielleicht ein Modell aussuchen? Eine Frisur, die zu Ihrem Typ paßt?«
    Birke hat noch nie ein Haarjournal gesehen, wie es Paris alle Vierteljahre neu herausbringt. Bei ihrem kleinen Friseur, bei dem sie sich daheim den Kopf waschen läßt, gibt es keine. Sie blättert die Journale durch und sagt dann auf gut Glück:
    »Diese Frisur gefällt mir.«
    »Sie wird Ihr Gesicht völlig verändern. Sie ist sehr attraktiv und trägt sich auch unter dem Hut gut. Zu der Farbe ihrer Augen würde ich ein helles, kräftiges Rot empfehlen, da Sie eine sehr zarte Haut haben und auch ein paar Sommersprossen auf der Nase — man wird Ihnen also ohne weiteres Rot glauben. Aber es muß eine echte Hennapackung sein. Schon die Königin Kleopatra machte vorher eine Hennapackung, ehe sie sich mit Caesar traf.«
    Antoine hat einen Witz gemacht.
    Anderen Damen gegenüber würde er sich nie einen Witz erlauben. Ein Damenfriseur kann zu den intimsten Vertrauten einer Kundin gehören, aber Witze reißt er nie. Das ist unter seiner Würde. Er kann verliebte Blicke werfen, schmachten, seufzen, das gehört zum Handwerk, besonders im Sommer, wenn die Kleider dünn sind. Er kann sich sogar anbieten, die letzte Kundin am Abend in seinem Wagen heimzufahren, das ist alles schon dagewesen, in Wien ist der Wienerwald so nahe — aber Witze machen, nein, das erlaubt er sich nur hier.
    Fünfzehn Minuten sitzt Birke jetzt bereits unter der Haube. Ihr Haar ist tizianrot geworden. Es fällt weiter in die Stirn, als sie es bisher trug, läßt die Ohren frei, auch den Hals — sie lacht sich selbst im Spiegel zu, diesem Mädchen, das da herausschaut, muß man einfach zulachen. Sie sieht ganz anders aus als daheim. Ob ihre Mutter sie so verwandelt wiedererkennt? Wie lange hat das Färben allein gedauert! Von der Minute an, als sie in diesem Sessel Platz nahm und Antoine die Farbe mit einer Holzspachtel anrührte, die Farbe auftrug, eine Uhr vor ihr aufstellte, einen Wecker, der sich nach dreißig Minuten meldete, bis die Farbe eingezogen war. Dann war Antoine zu ihr gekommen und hatte die Farbe eingeknetet, ehe er ihr Haar mit einem weitzinkigen Kamm durchkämmte, den Kopf wusch, die neue Frisur legte und die Trockenhaube über sie schob — sie sitzt hier, in einem neuen Land, in einer fremden Stadt, in Wien, wovon sie daheim träumte. Daheim

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