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Geliebter Boss

Geliebter Boss

Titel: Geliebter Boss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Hanns Roesler
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persönlich bekannt. Nur Sie, mein Herr, kenne ich leider noch nicht.« Sie wendet sich überraschend an den jungen Mann, der vorhin Zanders Feuer reichte.
    »Darf ich Sie bitten, mir Ihre Einladungskarte zu zeigen?«
    »Ich habe keine Einladung«, sagt der Fremde.
    »Wie sind Sie dann hier hereingekommen?«
    Der Fremde zieht seine Brieftasche und zeigt seinen Ausweis.
    »Damit«, sagt er. »Die kostbaren Juwelen, die bei meinem Auftraggeber für die Mannequins dieser Modenschau entliehen wurden — ich habe den Auftrag, sie zu bewachen.«
    »Sie sind Detektiv, Herr...«
    Sie sucht den Namen auf dem Ausweis, wiederholt:
    »Sie sind Detektiv, Herr Gruber?«
    »Privatdetektiv, gnädige Frau. Wenn Sie es wünschen, kann ich die Leibesvisitation der anwesenden Herren übernehmen.«
    Frau Eckersberger wehrt ab:
    »Nein. Keine Untersuchungen. Ich bin überzeugt, daß der Schmuck sich wiederfindet. Darüber hinaus hafte ich natürlich für den Schaden. Ich nehme an, daß kein ideeller dazukommt, liebste Gräfin?«
    »Es ist ein Geschenk meines Mannes. Letzte Weihnachten.«
    »Wie ich den Grafen kenne...«, sagt Frau Eckersberger , »ich bin außerdem überzeugt, der Schmuck findet sich.« Sie hebt ihre Stimme: »Darf ich jetzt allen Anwesenden, meinen Freunden und Gästen, herzlich für ihr Kommen danken? Ich hoffe, der peinliche Zwischenfall wird nicht die Erinnerung auslöschen, was wir Ihnen an schönen Dingen bis dahin zeigen durften. Unsere Direktrice, Baronin Komminik , wird vorn in meinem Kontor Ihre Wünsche und Bestellungen gern entgegennehmen.«
    Als Birke die Treppe hinuntergeht und auf die Straße tritt, ist plötzlich der fremde junge Mann neben ihr.
    »Ich bringe Sie nach Hause«, sagt er.
    »Nein!« sagt Birke heftig.
    Er läßt sich nicht einschüchtern. Geht neben ihr.
    »Wo wohnen Sie?« fragt er.
    Birke gibt keine Antwort. Sie muß ihn loswerden. Ein Detektiv in ihrem gegenwärtigen Zustand, ein Spitzel der Polizei, das hat ihr gerade noch gefehlt. Er wiederholt seine Frage.
    »Wo wohnen Sie?«
    »Ich weiß nicht, wie das Hotel heißt.“
    »Herr Saussen wohnt immer im Hotel Imperial. Das war doch Herr Saussen? Oder irre ich mich?«
    Sie muß den Boß warnen, Zeit gewinnen.
    »Sie kennen Herrn Saussen?« fragt sie.
    »Nicht persönlich. Nur vom Ansehen. Ich habe ein gutes Gedächtnis, das gehört zu meinem Beruf. Was stand auf dem Zettel?«
    »Ich weiß nichts von einem Zettel.«
    Sie haßt ihn, seitdem sie weiß, daß er Detektiv ist. Aber sie wird ihn nicht los. Er heftet sich an ihre Fersen. Dabei kennt sie Wien nicht. Sie weiß nicht, wohin sie geht. Nur Zeit gewinnen, das ist ihr Gedanke. Sie bleibt stehen.
    »Warum haben Sie das gemacht?« fragt sie.
    »Wovon sprechen Sie?«
    »Das mit der Handtasche und der Tabatiere?«
    »Ich sah, wie Herr Saussen die Tasche öffnete und die Tabatiere hineingab. Wie Sie sie ihm Zurückgaben und er sie ein zweites Mal in Ihre Tasche legte. Dann sah ich Ihre Angst, als die Smaragde verschwunden waren. Sie taten mir einfach leid.«
    »Kann ich die Dose jetzt wiederhaben?«
    »Sie ist längst wieder in Ihrer Tasche.«
    Sie spürt die Form und die Härte der Dose durch das leichte Leder ihrer Handtasche. Sie sieht ihn überrascht an.
    »Wie haben Sie das gemacht?«
    »Das gehört zu meinem Handwerk.«
    Sie stehen auf dem Michaelerplatz gegenüber der Michaelerkirche . Das Licht an der Kreuzung schaltet auf Grün.
    Die lange Wagenreihe setzt sich in Bewegung.
    Sie läuft an den bremsenden, kreischenden Wagen vorbei, an den Kühlern vorüber, auf die andere Seite der Straße. Sie eilt an der Kirche vorbei, sie will den Detektiv loswerden, sie rennt um ihr Leben.
    Sie weiß nicht, wohin. Das Gewirr der kleinen Gassen und Durchgänge verwirrt sie. Sie weiß nur, daß sie nicht ins Hotel darf, denn dort wird er sie erwarten, dieser Polizeispitzel. Sie
    schlägt Bogen wie ein Hase, läuft die Dorotheergasse entlang, überquert sie, in ein öffentliches Gebäude hinein, sie weiß nicht, daß es das Dorotheum ist, das Städtische Leihhaus, läuft auf der anderen Seite wieder hinaus, zum Neuen Markt hinunter, die Leute sehen ihr nach, dem Mädchen mit den roten Haaren, dem Mädchen mit dem Sonnenschirm, sie biegt nach rechts ab, zur Kapuzinerkirche — sie hastet hinein, die große Tür geht schwer auf, viel zu schwer für einen Atemlosen. Dann umfängt sie die kühle Stille der Kirche.
    Sie läßt sich auf eine Bank fallen, springt sofort wieder auf, geht gebückt in die

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