Geliebter der Nacht
zumindest so viel von ihrer mondbedingten Energie abgearbeitet, dass sie sich weniger gereizt fühlte als am Morgen.
Was die Ablenkung von Darius anging, tja, sie hatte höchstens ein- oder zwei
tausend
mal an ihn gedacht.
Als sie auf die Uhr sah, stellte Lexi fest, dass es später Nachmittag war. An jedem anderen Tag hätte sie jetzt zusammengepackt und wäre nach Hause gegangen – aber nicht heute. Sie hatte Angst vor dem, was sie zu Hause erwartete – beziehungsweise wer. Deshalb sah sie sich lieber schon einmal ihren nächsten Fall an.
Sein Name war Martin Ironwood. Auch er war zum ersten Mal aktenkundig, wegen öffentlicher Ruhestörung. Der Beschreibung nach passte es überhaupt nicht zu ihm, seinen Gerichtstermin zu schwänzen. Als Lexi bei seinem Backsteinhaus ankam, öffnete ihr eine nett aussehende Frau Ende zwanzig.
»Sie … Sie wünschen, bitte?« Die Frau sah nervös aus, und den roten Augen nach zu urteilen hatte sie geweint – viel geweint.
Lexi zückte ihren Dienstausweis und hielt ihn ihr hin. »Ich bin Lexi Corvin von Blackwell Bail Bonds, und ich suche nach Martin Ironwood. Ist er zu Hause?«
Die Unterlippe der Frau bebte. »Nein. Ich weiß nicht, wo er ist. Vorgestern Abend hat er sich ein Taxi gerufen, und seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört oder gesehen.«
Lexi sah die Frau an und glaubte nicht, dass sie log, um ihren Mann zu decken. Sie schien tatsächlich nicht zu wissen, wo er war. »Hat er so etwas vorher schon einmal gemacht – dass er für ein paar Tage verschwand, ohne Ihnen zu sagen, wo er hinwollte?«
»Nein, noch nie. Wir sind erst seit zwei Jahren verheiratet, und bis letzte Woche rief er mich immer zwischendurch an, wenn er weg war, na ja, Sie wissen schon, um hallo zu sagen und mich zu fragen, wie es mir geht. Und die wenigen Male, die er später kam, hat er mir jedes Mal vorher Bescheid gegeben.«
»Haben Sie sich gestritten?« Manchmal traten die ersten Probleme bei Paaren auf, sobald die Flitterwochen vorbei waren und der Alltag einkehrte. »Oder ist etwas bei der Arbeit passiert?«
»Ich weiß es nicht. Er arbeitet für eine Marketing-Firma, und letzte Woche bekam er einen neuen Kunden von außerhalb, der von unseren Vampirbars gehört hatte. Martin sollte ihn herumkutschieren, obwohl er gar nicht wollte. Er fragte mich, ob ich mitkäme, aber dann dachten wir, das sei vielleicht nicht so gut, weil ich schwanger bin.« Sie seufzte. »Ich weiß nicht, was da passiert ist – er wollte es mir nicht erzählen –, auf jeden Fall war er seit dem Abend irgendwie anders. Er hörte auf, mich zwischendurch anzurufen.« Zittrig holte sie Luft. »Und er war so müde. Erst dachte ich, er wird krank, und sagte ihm, er solle lieber zu Hause bleiben. Aber da lachte er bloß und meinte, es gehe ihm bestens. Na ja, als ich nicht nachgab, versprach er mir, zum Arzt zu gehen, aber ich glaube, er hat das bloß gesagt, um mich zu beruhigen.«
»Wie kommen Sie darauf?«
Auf einmal war das Gesicht der jungen Frau wie versteinert. »Wie viele Ärzte kennen Sie, die normale Untersuchungstermine auf den Abend legen?«
Lexi musste zugeben, dass das verdächtig klang. »Sie denken, er …?«
»Er hat eine andere. Das ist die einzige Erklärung, die mir einfällt.«
»Haben Sie ihn bei der Polizei als vermisst gemeldet?«, fragte Lexi. »Oder bei den Krankenhäusern angerufen?«
»Ja, natürlich«, antwortete die Frau, »aber die waren keine große Hilfe. Sie sagten, es gebe keinen Beweis, dass er nicht auf eigenen Wunsch weg ist.«
»Was ist mit seinem Job?«
Sie schüttelte den Kopf. »Die haben auch nichts von ihm gehört. Falls er nicht bald wieder auftaucht, kündigen sie ihm.«
Lexi atmete tief durch. Die Frau tat ihr aufrichtig leid. »Sie sagten, an dem letzten Tag habe er sich ein Taxi gerufen, das ihn abholen sollte. Erinnern Sie sich zufällig, welchen Taxidienst er anrief?«
»Wir nehmen immer Blue’s Limos.«
»Danke.« Lexi versprach der Frau, es sie sofort wissen zu lassen, falls sie ihren Mann fand, und ging. Was nun kam, gehörte zum minder spannenden Teil ihrer Arbeit. Sie rief die Auskunft an, erkundigte sich nach der Nummer von Blue’s Limos und bestellte sich dort einen Wagen. Als er ankam, ließ sie sich zur Zentrale fahren. Wie sie bereits befürchtet hatte, handelte es sich bei dem Taxiservice um ein halblegales Unternehmen, aber wenigstens führten sie genau Buch darüber, wann welche Wagen wo waren.
Der Fahrer, der Martin abgeholt
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