Geliebter der Nacht
beugte sich vor und langte nach dem Türgriff. »Das ist es nie. Bis dann!« Mit diesen Worten zog sie die Autotür zu, und das Taxi fuhr los.
Darius wusste, dass er ihr bald alles erklären musste, sonst verlor er sie noch endgültig. Aber dazu fehlte ihm im Moment leider die Zeit. Neulich Abend war er in Riccos Club gewesen, wo ihn der Vampir mit einer Freundin bekannt gemacht hatte – einer jungen Koboldin namens Alise Merriweather.
Nun winkte er sich ein Taxi herbei und nannte dem Fahrer die Adresse des »Blood Club«. Mit ein bisschen Glück war Alise heute Abend da und er könnte sie fragen, ob sie Paddy Darby kannte. Und falls es noch nicht zu spät war, plante Darius, dem Kobold einen kurzen Besuch abzustatten.
Nachdem sie zu Hause gewesen war und sich umgezogen hatte, saß Lexi wieder hinten in einem Taxi – mürrisch und deprimiert. War sie denn bekloppt? Darius interessierte sich nicht für sie, so viel war offensichtlich – jedenfalls nicht für sie als Frau. Das hatte er ja wohl deutlich genug zu verstehen gegeben. Wie kam sie darauf, ihm mehr oder minder deutlich anzubieten, mit ihm ins Bett zu gehen? Ja, ja, der Vollmond, klar, das war’s! Der Vollmond war schuld, dass sie sich wie eine läufige Hündin aufführte. Das heißt … halt, stopp! Sie
war
eine läufige Hündin!
Einige Minuten später stand sie vor Mais Wohnungstür, klopfte allerdings nicht sofort, denn plötzlich fragte sie sich, ob es richtig war, herzukommen. Mai war wahrscheinlich noch erschöpfter als sie selbst. Und auch wenn sie behauptet hatte, die ganze Nacht arbeiten zu wollen, schlief sie gewiss schon.
Trotzdem klopfte Lexi an und wartete. Kurz darauf hörte sie, wie die Kette zurückgeschoben wurde und der Sicherheitsriegel klickte.
»Stimmt was nicht?«, fragte Mai besorgt, als sie die Tür öffnete. Ihr Haar war zerzaust, und über dem dunkelroten Seidennachthemd fielen die heilenden Bissmale wie die Blutergüsse an ihrem Hals umso mehr ins Auge.
»Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe«, sagte Lexi. »Nach allem, was heute Abend passiert ist, wollte ich nur sehen, ob es dir gutgeht.«
Mai winkte ab und trat zur Seite, um Lexi hereinzulassen. »Geht schon.« Sie tapste voraus durchs Wohnzimmer in die Küche. »Willst du etwas trinken – vielleicht einen Kaffee?«
Lexi überlegte kurz und schüttelte den Kopf. »Nein danke. Ich wollte wirklich nur sehen, ob bei dir alles in Ordnung ist.«
Sie setzten sich an den Tisch, und Mai begann, sich die verletzte Halsseite zu reiben. »Im Großen und Ganzen geht’s mir ganz gut«, sagte sie zögernd. »Aber da ist etwas Komisches, das vor ungefähr einer Stunde anfing, und ich finde es bedenklich.«
»Was?« Lexi beugte sich über den Tisch vor.
»Wahrscheinlich hältst du mich für bescheuert«, setzte Mai unsicher an, »aber ich lechze nach einem extrem kurz gebratenes Steak, eins, das in der Mitte blutrot ist – je blutiger, desto besser.«
»Du lechzt nach Blut?« Während Lexi ihre Freundin anstarrte, überschlugen ihre Gedanken sich. War sie doch zu spät gekommen, als der Vampir Mai angegriffen hatte? Hatte er irgendwie Vampirgelüste in ihr geweckt, ohne sie vorher zu töten und in einen Vampir zu verwandeln?
Lexi grübelte so angestrengt, dass sie das Geräusch gar nicht gleich erkannte, das von Mai kam. Schließlich aber bemerkte sie, dass ihre Freundin kicherte. Lexi verdrehte genervt die Augen. »Das ist nicht witzig!«
Dennoch grinste Mai weiter. »Doch, ist es wohl. Mir geht es bestens. Aber, sag mal, wieso bist du eigentlich nicht bei Darius? Wenn ich einen Knaben wie den am Haken hätte, würde ich bestimmt nicht mit dir herumhängen. Ich wäre mit ihm im Bett und würde eine Woche lang durchvögeln.«
»Wie nett!«, sagte Lexi. »Zu deiner Information: Er ist nicht
mein
Knabe.«
»Aha?« Mai überlegte. »Dann macht es dir nichts aus, wenn ich ihn mir schnappe?«
»Nur zu!«, knurrte Lexi, der es sehr wohl etwas ausmachen würde. Sie stand auf, ging um den Tisch herum und umarmte Mai. »Gute Nacht, Mai.«
Mai erwiderte die Umarmung und brachte Lexi zur Tür. »Denk daran: Wenn du irgendetwas brauchst – ich bin für dich da.«
Lexi rang sich ein mattes Lächeln ab. »Eigentlich sollte ich diesen Satz sagen.«
Erst eine ganze Weile später – sie saß schon wieder im Taxi – fiel Lexi ein, dass sie vergessen hatte, Mai nach Dr. Patrick zu fragen. Aber dafür war morgen immer noch Zeit.
Sie blickte aus dem Fenster und hätte
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