Geliebter des Windes - Croft, S: Geliebter des Windes - Unleashing the Storm - ACRO, Book 2
Ahnung. Aber es gab keinen Zweifel - sein Boss litt wieder unter bösen Träumen. Wann immer das geschah, gelangten sie irgendwie in Enders Unterbewusstsein, und er wachte schreiend auf, entsetzt über Devs Visionen.
Wieso Dev wusste, was während der Bruchlandung seiner verdammten C-130 am Boden rings um Ender und dessen Team vorgefallen war - Ender hatte seinen Boss nie danach gefragt. Jedenfalls war jede grässliche Einzelheit der Ereignisse, bis zum letzten Moment, beiden Gehirnen auf seltsame Weise eingehämmert worden.
Am schlimmsten waren Enders erste Tage im Gefängnis gewesen. Bis dahin hatten die Ärzte Dev mit starken Drogen ruhiggestellt. Aber dann verringerten sie die jeweilige Dosis bei allen Medikamenten, und das Gehirn des Patienten erlebte den Absturz immer wieder. Manchmal stündlich. Da weckte Ender sich selbst und den ganzen Zellenblock, schrie so laut, dass er seine Stimme verlor. Schließlich nahmen sie ihn in Einzelhaft, in einer schalldichten Gummizelle. Im Keller. Klar, den Verrückten musste man da unten einsperren und den Schlüssel wegwerfen.
Mit der Zeit erholte sich Devs Gehirn, aber mittlerweile kümmerte Ender sich nicht mehr darum. Er protestierte, als jemand die Zellentür öffnete und erklärte, er könne gehen - zwei Jahre, vierzehn Tage und zwölf Stunden später. Sein Haar hing auf seine Schultern hinab, sein Bart war noch länger. Wann er zum letzten Mal die Stunde seines täglichen Rundgangs an der frischen Luft genutzt hatte, wusste er nicht mehr. Ebenso wenig erinnerte er sich an sein letztes Bad. Irgendwann hatten die Wärter einfach einen Wasserschlauch zwischen den Gitterstäben der Tür hindurchgesteckt und die ganze Zelle abgespritzt.
Trotz allem besaß er immer noch seine Excedo-Fähigkeiten. Die waren sogar stärker geworden, als hätten sie auf die Unterforderung mit einer Bereitschaft für künftige Aufgaben reagiert. Das war den guten Leuten von ACRO aufgefallen, während sie ihn zu fesseln versucht hatten, um ihn zu waschen.
»Nun werden wir dich saubermachen«, entschied Kira, als er auf ihre Frage nicht antwortete, zog ihn auf die Beine und schob ihn zum Wasser. »Wenn du abgekühlt bist, wirst du dich besser fühlen.«
Auf dem Weg zum Fluss, dessen Ufer sie auch weiterhin gefolgt waren, schlüpfte er aus seinen Kleidern. Er stieg in die Wellen und tauchte seinen Kopf unter.
So lange wie möglich blieb er im kühlen Wasser, bis seine Lungen um Luft flehten, bis Kira ihn an die Oberfläche zerrte.
Er konnte ihr nicht vormachen, ihr Bericht über ihre Tortur im Gefängnis wäre ihm gleichgültig. Was sie getan hatte, um am Leben zu bleiben, berührte ihn in
der Tiefe seiner Seele. So wie er beherrschte sie die Kunst des Überlebens. Doch sie war tapferer als er, denn sie stellte sich der Vergangenheit. Dazu musste er sich erst noch durchringen, und bis dahin würde er an Devs Alpträume gefesselt sein.
Ein paar Minuten lang starrten sie sich nur an, und er spürte, wie eine weitere Barriere seines inneren Sicherheitssystems einstürzte. Verletzlichkeit - so etwas gestattete er sich nicht, schon gar nicht vor anderen Leuten.
»Wenn du es mir erzählst, wenn du darüber redest, wird es vielleicht verschwinden«, schlug sie schließlich vor.
Ender lachte kurz und heiser auf. »Geht’s dir besser, seit du mir von all den Männern erzählt hast, die dich jedes Jahr ausnutzen?«
»Ist es das etwa? Sorgst du dich am Ende um mich?«
»Nein«, erwiderte er schroff und ärgerte sich, weil er diesen Aspekt nicht einmal als möglichen Auslöser seines bösen Traums erwogen hatte. Immer war es Dev gewesen, der ihm am nächsten stand. Aber seit er Kira kannte …
Scheiße.
»Wenn du über deinen Alptraum sprichst, dann …«
»Es war nur ein Traum«, unterbrach er sie und merkte, wie lächerlich die Lüge klang.
Das nahm sie ihm nicht übel. Wie eine routinierte Psychologin fuhr sie fort: »Wenn du über deinen Traum sprichst, wird der Schmerz nicht verfliegen. Aber es hilft, wenn man so etwas jemandem erzählt, der damit etwas anfangen kann - der versteht, wie sehr wir uns von anderen Leuten unterscheiden. Mir hat’s geholfen.« Sie berührte Enders Arm, und er zuckte zurück. Unbeirrt fasste sie erneut nach ihm.
Noch einmal konnte er ihrer Hand nicht ausweichen.
»Dass du nicht normal bist, weiß ich«, sagte sie leise. »Was du kannst, habe ich gesehen.«
»Nun, ich kann töten. Also bin ich der gleiche Verbrecher wie jeder Mörder, der im Gefängnis
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