Geliebter Feind
„Er hat sich verändert, Abbey, und ich habe keine Ahnung, was mit ihm los ist.“
Der Entschluss, sich die Bücher anzusehen, festigte sich immer mehr in Abbey. Sie ließ sich nach Hause chauffieren, aber erst nachdem sie eine genaue Abholzeit für den nächsten Morgen mit dem Chauffeur ausgemacht hatte, war der Mann bereit, endlich abzufahren.
In der Nacht fand sie keinen Schlaf. Nikolais spöttische Bemerkung über ihr kaltes leeres Bett hielt sie wach. Ihr Körper erinnerte sich viel zu gut an das Vergnügen und die Hitze, die sie in seinen Armen empfunden hatte. Sie wälzte sich unruhig von einer Seite auf die andere, suchte nach einem kühlenden Platz auf dem Kissen für ihre heißen Wangen. Ihre Haut prickelte, als würde sie von innen heraus verbrennen, und sie war so angespannt, dass sie erschreckt zusammenzuckte, als ihr Handy mit einem Piepen anzeigte, dass eine SMS eingegangen war. Der leise Ton hallte in ihren Ohren wie Donnergrollen. Stöhnend rappelte sie sich auf und rief die Nachricht auf, schließlich war es nach Mitternacht, es könnte etwas Dringendes sein.
Lad mich zu dir ein. Ich kann nicht schlafen.
Eine Nachricht von Nikolai. Wut schoss in ihr auf mit der Kraft einer reinigenden Flamme. Liebend gern hätte sie eine vernichtende Erwiderung abgeschickt, doch Nikolai sollte nicht wissen, dass sie ebenfalls wach lag. Also kletterte sie zurück ins Bett, ohne zu antworten. Das sinnliche Prickeln überall war ersetzt worden von Scham und Selbstverachtung über den Beweis ihres erbärmlichen Mangels an Selbstbeherrschung. Sie starrte an die Decke und dachte sich bissige Bemerkungen aus, die sie ihm gern geschickt hätte. Darüber fiel sie schließlich in einen unruhigen Schlaf.
Schon früh am nächsten Morgen rief Caroline völlig aufgelöst an. Drew war die ganze Nacht nicht nach Hause gekommen und ging nicht an sein Handy. Noch während die beiden Frauen beratschlagten, was zu unternehmen sei, meldete Drew sich auf Carolines Handy.
„Ich hatte ein paar Drinks zu viel und hab auf dem Sofa im Büro geschlafen“, gestand ihr Bruder, als Abbey in der Firma ankam. „Caroline braucht sich deswegen nicht gleich so aufzuregen. Sie hat praktisch jeden unserer Bekannten angerufen und die Pferde scheu gemacht …“
„Deine Frau ist vor Sorge um dich halb umgekommen. Du hättest Bescheid sagen sollen. Tust du das neuerdings? Allein auf Sauftour gehen?“, fragte sie vorwurfsvoll.
Vor Ärger lief sein Gesicht rot an. „Nein, zufälligerweise habe ich Freunde, mit denen ich ausgehen kann. Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten, Abbey!“, wies er sie schneidend zurecht.
Sveta rief an und teilte ihr mit, sie habe vor dem Lunch einen Termin im Modesalon. Die Vertragskopie für sie war bereits per Kurier angekommen. Abbey besprach den Vertrag mit dem Anwalt, der die rechtlichen Angelegenheiten für Support Systems regelte, und unterschrieb. Danach machte sie sich daran, die eingegangenen Informationen der Makler zu sichten, verwarf einige der Angebote, fügte zwei neue hinzu und überarbeitete die Präsentation für Nikolai.
Sveta begrüßte sie, als sie zur verabredeten Zeit vor dem exklusiven Modesalon aus der Limousine stieg. Im Salon wurden ihre Maße genommen, und dann präsentierten Models allein für sie mehrere Kombinationen für jeden Anlass. Eine Stilistin stellte mit sicherem Geschmack Accessoires und Dessous zusammen, aus denen Abbey frei wählen konnte. Diese Extravaganz in Seide, Spitze und Satin erschütterte sie bis ins Innerste ihres konservativen Kerns.
„Zeigt Nikolai sich immer so übermäßig großzügig?“, fragte sie Sveta überwältigt. „Nikolai ist einzigartig“, erwiderte diese diplomatisch. „Ich kenne niemanden wie ihn.“ Kurz darauf rief Nikolai an und teilte Abbey mit, dass er sie in einer Stunde von ihrer Wohnung abholen würde.
„Ich habe die Immobilienpräsentation für dich fertig!“ Mit dieser sachlichen Information versuchte sie ihre Aufregung zu überspielen.
„Ich sehe sie mir im Wagen an.“
„Und wohin fahren wir?“
„Zum Juwelier. Ich will, dass du morgen bei der Premiere Diamanten trägst.“
Mit hochroten Wangen und blitzenden Augen stieg Abbey zu ihm in die Limousine, als er sie abholte. Stirnrunzelnd nahm er ihren Aufzug in sich auf – den dunklen Hosenanzug, die hell gemusterte Bluse, das zusammengebundene Haar.
„Du hast dich nicht umgezogen“, bemerkte er.
„Noch bin ich auf Arbeit eingestellt. Zum Umziehen bleibt
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