Geliebter Feind
Taktgefühl eines Trampeltiers. Jeder andere respektierte seine Reserviertheit. Er war es nicht gewohnt, unangenehme Fragen beantworten zu müssen. „Ich gehe duschen.“
„Du weist besser Sveta an, mir eine Liste mit Themen zusammenzustellen, die ich nicht ansprechen darf, sonst könnten die nächsten vierzehn Tage ziemlich ungemütlich werden“, stieß sie inbrünstig aus. „Du benimmst dich wie ein eingeschnappter Prinz!“
Ärgerlich drehte Nikolai das heiße Wasser auf. Eigentlich hatte er mit Abbey duschen wollen, doch mit ihren neugierigen Fragen hatte sie die Stimmung ruiniert. Eingeschnappter Prinz?! Seine Nasenflügel bebten. Weder war er verwöhnt noch glaubte er sich so weit von normalen Menschen entfernt. Wie auch, wenn er doch genau wusste, was Hunger und Armut waren. Andererseits … woher sollte Abbey wissen, was sie nicht sagen sollte, wenn sie nichts über seinen Hintergrund wusste? Und schließlich musste er zugeben, dass er selbst von Neugier getrieben worden war und ohne zu zögern in ihrem Privatleben herumgeschnüffelt hatte.
Während Nikolai unter der Dusche stand, kämpfte Abbey mit den Tränen. Natürlich wusste sie, dass sie überreagierte, aber es war ein langer und emotionell anstrengender Tag gewesen. Das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte, war ein Mann, der sie mit Ausgrenzung bestrafte, sobald sie gegen seine rigiden Regeln verstieß.
Die Tür des Badezimmers knallte lautstark gegen die Wand. Nikolai stand im Rahmen, Wasser perlte über seine Haut und auf den Teppich. „Komm mit unter die Dusche, und ich erzähle dir alles, was du wissen willst.“
Das Lächeln zog wie von allein auf ihre Lippen und löste die Anspannung. Abbey fragte sich, ob er wirklich glaubte, dass Sex die Lösung für jedes Problem war, und kam zu dem Schluss, dass er ursprünglich genug war, um dieser Überzeugung zu sein. Doch sie war entschlossen, die Wechselbäder, wie er es genannt hatte, zu unterlassen, und sie würde jetzt keinen Rückzieher machen. Sie stand auf, und auch wenn es sie Überwindung kostete, nackt durch den Raum zu gehen, so tat sie es mit hoch erhobenem Kopf.
„Ich liebe deinen Körper“, raunte er heiser, hob sie schwungvoll auf seine Arme und trug sie mit sich unter die Dusche.
Seine raue Männlichkeit erregte sie über alle Maßen. Sie verschränkte die Finger in seinem Nacken und bot ihm ihre Lippen dar. Der leidenschaftliche Kuss reichte aus, um das Feuer in ihr erneut zu entzünden. Die Hände an ihrer Taille, drückte er sie gegen die Wand und nahm sie in Besitz.
„Und was ist mit der versprochenen Dusche?“, murmelte sie.
„Ich kann nicht aufhören, nach dir zu verlangen“, knurrte Nikolai, und auf seiner Miene war zu erkennen, wie widerwillig er diese Tatsache anerkannte. „Ich schlafe einmal mit dir, aber es ist nicht genug.“
Abbey fragte sich, warum sie sich deshalb beschweren sollte, wenn sie doch ebenfalls nichts anderes wollte und eine solche Macht über ihn hatte.
Hinterher lagen sie im Bett, Nikolai zog sie an sich heran, und Abbey, müde und ausgelaugt, schloss die Augen.
„Ich weiß nicht, wer meine Mutter ist“, hob er an. „Ich kenne nicht einmal ihren Namen. Ich weiß überhaupt nichts von ihr.“
Hinter ihren geschlossenen Lidern brannten Tränen, ihr Herz floss über vor Mitgefühl für ihn. Sie begann zu verstehen, warum er es vorzog, nicht über seinen familiären Hintergrund zu reden. „Es muss hart für dich gewesen sein“, sagte sie mit brüchiger Stimme.
Nikolai sah ihr ins Gesicht und nahm erstaunt die Tränen wahr, die sie um ihn weinte. Fast hilflos streichelte er ihre Wange. „Ich bin ein harter Typ. Ich habe mich daran gewöhnt.“
„Warst du ein Findelkind?“
Er schüttelte den Kopf. „Mein Großvater hat mich aufgenommen. Er musste sich schon etwas einfallen lassen, um eine Geburtsurkunde für mich zu bekommen und mich dann mit in die damalige Sowjetunion zu nehmen. Der Name auf der Urkunde ist falsch. Er sagte immer zu mir, dass er mir alles erklären würde, wenn ich älter wäre, doch dann starb er unerwartet. Er hat sein Geheimnis mit ins Grab genommen.“
Abbey fragte sich automatisch, warum sein Vater die Lücken nicht gefüllt hatte. Dann jedoch wurde ihr klar, wie lose und oberflächlich die Familienbande für ihn als Kind gewesen sein mussten. „Es ist nicht wichtig, wer dich auf die Welt gebracht hat, wichtig ist nur, wer du jetzt bist.“
„Der Spruch des Tages“, spottete er. Ihm fiel auf, wie
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