Geliebter Feind
hinterherschicken, doch ich fürchtete mich vor dem, was Sir Roderick vielleicht tun würde, wenn er sich verfolgt sähe."
„Du hast dich richtig verhalten, Gerda." Er klopfte ihr auf die Schulter und begab sich wieder in die Halle.
Unterdessen überschlugen sich seine Gedanken. Roderick hatte zwei, drei Stunden Vorsprung, konnte allerdings nicht den ganzen Ritt nach Ashbury in halsbrecherischem Tempo zurücklegen. Daß Brenna dabei war, würde die Reisegeschwindigkeit beträchtlich verlangsamen ...
Der Earl brüllte so laut nach seinem Hengst, daß es in der ganzen Burg zu hören war. Gerda vernahm es mit erleichterter Freude.
Roderick hatte es nicht besonders eilig. Er bezweifelte nicht, daß die Zeit der Hast vorüber war, und er war entsprechend stolz auf sich.
Inzwischen dürfte sein Plan bereits Tatsache geworden und die Falle zugeschnappt sein. Seine Männer würden ihn nicht enttäuschen, denn dazu fürchteten sie zu sehr um ihr eigenes Leben. Der Earl of Sedgewick konnte den Kampf unmöglich überlebt haben. Der Gegner war also tot und stellte keine Bedrohung mehr dar.
Deshalb hatte Roderick auch nichts dagegen einzuwenden, als Kathryn darum bat, die Reise für die Nacht zu unterbrechen.
Er ritt zu einer Lichtung voraus, die durch einen Hügelvor-sprung vor dem kühlen Nachtwind geschützt wurde. Dort saß er ab. Kathryn ertrug seine Berührung, als er ihr aus dem Sattel half, doch sobald sie mit den Füßen den Boden berührte, entzog sie sich seinem Griff.
Roderick lachte. „Ihr werdet bald genug zu mir kommen, das schwöre ich Euch."
Kathryn biß die Zähne zusammen und wandte ihm den Rük-ken. Mit Brenna im Arm ging sie zu einer großen Eiche, setzte sich auf den feuchten Waldboden und lehnte sich mit dem Rük-ken an den Baumstamm. Sie sah zu, wie Roderick ein Lagerfeuer machte und Wolldecken sowie Brot und Käse herauslegte.
Zwar stand ihr nicht der Sinn danach; trotzdem aß und trank sie, denn sie mußte schließlich bei Kräften bleiben. Kaum hatte sie ihre letzte Brotkruste verspeist, als Brenna zu strampeln und zu weinen begann. Kathryn versuchte sie zu beruhigen, doch es glückte ihr nicht.
„Was quält sie denn, Madam?" erkundigte sich Roderick mit bösartigem Lächeln.
Als ob er das nicht genau wüßte! dachte Kathryn wütend.
„Sie hat Hunger."
Er grinste anzüglich und rührte sich nicht von der Stelle. Inzwischen war Brennas Weinen zu gellendem Geschrei geworden. Kathryn bedachte Roderick mit einem mörderischen Blick, wandte sich dann ab und streifte ihr Gewand beiseite. Sobald Brenna an der Brust ihrer Mutter lag, stellte sie ihr Geschrei ein.
Sie war zwar warm genug verpackt, doch Kathryn zog trotzdem den Zipfel einer Wolldecke um sich und das Kind, um sich vor Rodericks Blicken zu schützen.
Während sie ihre Tochter stillte, dachte sie an Guy. Lebte er denn überhaupt noch? Oder lag er hingestreckt auf kalter, nackter Erde? Hatte sein Herz f ü r immer aufgehört zu schlagen? Dieser Gedanke quälte sie entsetzlich. Sie versprach ihrem Schöpfer ihr eigenes Leben, wenn er Guys verschonte.
Die Dunkelheit brach herein und schien den Untergang anzu-kündigen. Roderick trank aus einem Lederschlauch Bier, und zwar reichlich. Kathryn beobachtete es mit wachsendem Unbe-hagen und fürchtete sich vor dem Zeitpunkt, da Brenna satt eingeschlafen sein würde.
Unvermittelt warf er den Kopf in den Nacken und lachte, daß es ihr die Gänsehaut über den Rücken trieb. Dennoch hob sie ihr Kinn und begegnete Rodericks unverschämten Blick. „Ihr scheint ja über die Maßen zufrieden mit Euch selbst zu sein", bemerkte sie eisig.
„Weshalb auch nicht? Schließlich wird mir bald alles gehören, was ich je begehrte - und noch mehr", prahlte er. „Sedgewick ist doch wirklich großartig, nicht wahr, Liebste? Und möglicherweise bekommen wir eines Tages auch noch Ashbury zurück.
Das würde Euch doch besonders gut gefallen, oder nicht?"
„Mich zu heiraten, mag Euch Landbesitz eintragen, hingegen nicht die Burg Sedgewick. Ihr scheint zu vergessen, daß Guy einen Erben hat."
„Gewiß hat er einen Erben, nur wie lange noch?" Er lachte aufs neue.
Kathryn erstarrte. Großer Gott! Nicht genug damit, daß er Richard ermordet hatte und Guy umbringen lassen wollte - er beabsichtigte auch noch, Peter zu töten! Und wofür? Für Landbesitz und Macht und Reichtum! An ihr lag ihm überhaupt nichts; sie war f ü r ihn nur ein Mittel, um seine Pläne ins Werk zu setzen.
Ihr wurde fast übel, als
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