Geliebter Feind
Sedgewick zurückgekehrt."
Tränen strömten über ihre Wangen. „Roderick hat mich dazu gezwungen, mit ihm zu reiten!" rief sie. „Er drohte, Brenna zu töten, falls ich mich weigerte. Guy, ich habe ihm nicht bei diesem Verrat geholfen, das schwöre ich!" Sie weinte herzzerrei-
ßend. „Ich habe Euch nicht betrogen. Das würde ich auch niemals tun! O Guy, ich flehe Euch an, Ihr müßt mir glauben. Ich würde Euch auch niemals verlassen . . . ich liebe Euch doch viel zu sehr."
Guy fühlte, daß sie so sehr zitterte, als wäre sie schwach und zerbrechlich. Nur ist sie weder schwach noch zerbrechlich, dachte er. Kathryn war stark und furchtbar stolz, und dennoch legte sie ihm jetzt ihr Herz und ihre Seele zu Füßen.
Er zog sie noch ein wenig dichter zu sich heran und lächelte über Brennas beleidigten Protest. Das Kind mußte sich schon dreinschicken; er wollte jetzt Kathryns Herz an seinem und seines an ihrem schlagen wissen. Mit einem Kuß unterbrach er ihre Rede.
„Nein, mein Weibchen", sagte er zärtlich. „Ihr werdet mich nie wieder verlassen, denn jetzt seid Ihr genau dort, wohin Ihr gehört."
Kathryn wagte nicht, über die Bedeutung von Guys Worten nachzudenken, doch während des langen Heimritts erwachte die Hoffnung in ihrem Herzen wie eine sich öffnende Rosenblü-
te. Sie sprachen nur wenig; beide wollten schnell wieder in Sedgewicks Mauern zurückkehren.
Kurz nachdem sie das Tor durchritten hatten, traf auch Sir Michael mit Guys Kriegern ein. Er berichtete, daß er und die Männer in einen Hinterhalt geraten waren, nachdem der Earl sich auf den Rückweg nach Sedgewick begeben hatte. Glücklicherweise waren sie auf dergleichen vorbereitet gewesen. Nur zwei der Leute des Earls waren verwundet worden, und keiner von ihnen lebensgefährlich.
Kathryn erschauderte, wenn sie daran dachte, wie knapp Guy dem Tod entronnen war - und heute nacht schon zum zweitenmal. Die Verletzung an seiner Schulter stellte sich Gott sei Dank nur als Fleischwunde heraus.
Während sich Guy in der großen Halle weiter über den Kampf berichten ließ, begab sich Kathryn nach oben, um Brenna ins Bett zu bringen. Sie legte das Kind in die Wiege und ging dann den Flur hinunter, um nach Peter zu schauen. Der kleine Junge schlief fest; eine Hand hatte er sich unter das Kinn gesteckt.
Kathryn drückte ihm einen liebevollen Kuß auf die Stirn. Spä-
ter in ihrem Gemach schweiften die Gedanken unwillkürlich wieder zu der Frau, die Peters Mutter gewesen war.
Elaine ... Kathryn fühlte keinen Neid, denn die bedauerns-werte Frau konnte nicht mehr an der Seite ihres Gemahls stehen, konnte nicht sehen, wie ihr Sohn zu einem großen und kräftigen Mann heranwuchs ...
Die Tür öffnete sich. Guy trat ein. Im flackernden Schein des Herdfeuers wirkte er wie eine goldene Statue, die mit ihrer Schönheit Kathryn den Atem raubte.
Einige Schritte vor ihr blieb er stehen. „Ihr seht so bekümmert aus", stellte er leise fest. „Die Gefahr ist doch vorüber. Ihr braucht Euch keine Sorgen mehr zu machen."
Bevor der Mut sie noch verließ, sprach sie aus, was ihr auf der Seele lag. „Ich dachte gerade an Elaine." Ihre Stimme war kaum hörbar. „Ihr habt sie sehr geliebt, nicht wahr?" Sie sah, daß Guy völlig regungslos dastand, und fürchtete sich genausosehr davor, ihm in die Augen zu blicken, wie davor, den Blick abzuwen-den.
Es war schließlich seine Liebe zu Elaine gewesen, die ihn nach Ashbury geführt hatte, um Rache zu nehmen. Kathryn neidete ihm diese Liebe wirklich nicht, doch nun mußte sie sich fragen, ob die Zeit die Wunden seines Herzens und die bittere Leere seiner Seele tatsächlich geheilt hatte. Sie betete inständig darum, denn sie würde es nicht ertragen können, wenn es nicht so wäre.
Guy schwieg beharrlich, und Kathryn wurde immer unruhiger. Gerade als sie dachte, sie würde es nicht länger aushalten, reichte er ihr die Hand entgegen.
„Kommt her", sagte er nur.
Unsicher stand sie auf. Guy faßte sie bei den Händen und zog sie dichter heran, so daß sie jetzt unmittelbar vor ihm stand.
„Jawohl", antwortete er langsam. „Ich habe Elaine sehr geliebt."
Der Schmerz erfaßte ihr Herz; sie war auf solche Aufrichtigkeit nicht vorbereitet gewesen und wollte sich abwenden.
„Nein, Kathryn, wendet Euch nicht von mir ab", bat er sie sofort.
„Bitte, Guy . . " Sie schluchzte leise auf und wollte ihr Gesicht an seiner Brust verbergen, doch das ließ er nicht zu. Eine Hand legte er ihr a n den Rücken und
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