Geliebter Feind
ändern."
„Und ich kann nicht vergessen!" erklärte Guy finster.
„Euch blieb doch keine andere Wahl, als dem Ruf zu den Waffen zu folgen."
„Dem Ruf zu den Waffen!" Guy lachte bitter auf. „Mein Freund, du und ich hielten uns drei ganze Jahre nicht in diesem Land auf, und die Hälfte dieser Zeit waren wir in diesem verdammten Burgverlies in Toulouse eingekerkert!"
In diesem Kerker hatte Guy zum erstenmal etwas von der Existenz seines Sohns Peter erfahren, und kurz darauf berichtete man ihm von der Ermordung seiner Gattin. Guy hatte von der Schwangerschaft nichts gewußt. War er zuerst vor Freude über das Kind außer sich gewesen, so stürzte er bei der zweiten Nachricht von den Höhen des Glücks in die tiefste, schwärzeste Höl-le. „Hätten wir uns nicht in diesem Kerker befunden, wären wir auf unserer Flucht vielleicht nie auf Heinrichs Streitmacht gestoßen", erinnerte ihn Hugh. „Im übrigen scheint es mir sehr un-klug zu sein, sich in Opposition zu unserem neuen König zu begeben."
„Du hast ja recht", gab Guy zu. „Ich hatte keine andere Wahl, als Heinrich mein Schwert anzudienen."
„Bedauert Ihr das?" fragte Hugh erstaunt.
Guy schüttelte den Kopf. „Nein. Heinrich II. hat viele Gesichter, dennoch halte ich es für gut, daß er nach Stephens Tod Englands Thron für sich beansprucht hat. Ich glaube, mit unserem Land wird es jetzt bald aufwärts gehen." Er schwieg einen Moment. „Und ich habe Heinrichs Genehmigung, mir wiederzuho-len, was mir genommen wurde."
„Was Ihr nun getan habt."
„Sehr richtig." Guys Blick ging zum Burgtor.
Hugh beobachtete, daß die Miene seines Freundes hart und bitter wurde. Das machte ihn unsicher. Guy seinerseits merkte, daß sein Freund beunruhigt war.
„Dein Schwager Geoffrey hat mir in dieser Burg lange und gut als Statthalter gedient, mein Freund. Nun sind er und deine Schwester tot. Es wird Zeit, daß du für deine Loyalität belohnt wirst. Deshalb biete ich dir jetzt Ramsey Keep an. Allerdings sollst du diese Burg nicht als mein neuer Statthalter übernehmen, sondern als dein künftiges Eigentum."
Im ersten Moment war Hugh sprachlos. Zu Ramsey Keep ge-hörte ein wohlhabendes Rittergut. Beides zusammen war zwar nicht annähernd so großartig wie Sedgewick, doch es war alles, wovon er nur träumen konnte. Und dennoch ...
„Darf ich offen sein, Herr? Darf ich als Euer Freund, und nicht als Euer Untergebener sprechen?"
„Das darfst du immer, Hugh, wie du weißt."
Hugh lächelte, doch es war ein trauriges Lächeln. „Eure Großzügigkeit überwältigt mich, Guy. Ich wünschte wirklich, ich könnte sie annehmen. Doch Ihr habt es ja selbst gesagt: Hier ist Claire gestorben, und hier wurden Geoffrey und die Lady Elaine auf die grausigste Weise umgebracht. Ich fürchte, ich wäre niemals imstande, das Böse zu vergessen, das hier geschehen ist."
Guy schwieg eine Weile. „Dann bleibst du also bei mir?" fragte er schließlich. „Ich brauche dich jetzt mehr denn je, Hugh, doch nur, wenn du es freiwillig tust."
Mehr zu bereden gab es nicht. Guy drehte sich um und schritt zu den auf ihren Rössern wartenden Kriegern. Er saß ebenfalls auf. Noch einen letzten Blick warf er auf Ramsey Keep.
Elaine, dachte er, die liebe, sanfte, zärtliche Elaine! Im stillen schrie er ihren Namen. Er schloß die Augen. Der Schmerz durchfuhr ihn wie ein Schwert. Er sah Elaine vor sich, wie er sie in Erinnerung hatte, strahlend und unerreicht schön. Er sah das goldene Haar um ihre Schultern fließen, und er hörte ihr Lachen, das wie Musik klang. Im Scherz hatte er ihr immer gesagt, sie sei von den Engeln im Himmel erschaffen worden ... und bei den Engeln im Himmel wohnte sie jetzt.
„Es war grauenhaft, Herr. Oh, so grauenhaft!" hatte Gerda bei seiner Ankunft auf Sedgewick schluchzend zu ihm gesagt.
„Richard und seine Mannen kamen im Namen des Friedens und haben dann geschändet und gemordet. Niemanden haben sie verschont, keine Frau, kein Kind. Sie haben kein Erbarmen gezeigt, Herr. Sie kannten keine Gnade."
Bei der Erinnerung an Gerdas Bericht sah Guy Elaines gewaltsamen Tod vor sich; er sah sie geschunden und geschändet in einer Blutlache liegen, und wieder umfingen ihn die roten Nebel der Wut.
Er öffnete die Augen. Noch einmal ließ er den Blick über die Grabstätte seiner Gattin und der vielen anderen Toten gleiten.
„Liebste, Euer Tod soll gerächt werden", flüsterte er. „Das schwöre ich bei allen Heiligen!"
Hugh lenkte sein Roß neben das seines
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