Geliebter Feind
dorthin ziehen. Ich verstehe das nicht, Kathryn! Habe ich dein Mißfallen erregt? Bist du jetzt böse mit mir und willst deshalb fortgehen, um mich loszuwerden?"
Ihre Stimme klang immer höher und furchtsamer. „Was soll ich nur tun, wenn du mit Roderick fortgehst? Ich liebe Ashbury ebensosehr wie du, doch ich könnte ein Leben hier ohne dich nicht ertragen, Kathryn. Und Onkel Richard erlaubt mir nicht, den Schleier zu nehmen."
Kathryn lachte, doch es klang ein wenig bitter. „Ich sehne mich durchaus nicht danach, hier fortzugehen, denn dies ist unsere Heimstatt, auch wenn unser Bastard-Onkel sich hier als Herr und Meister bezeichnet", erklärte sie mit großem Nachdruck. „Die Gesetze der Männer besagen, daß wir Frauen keinen Lehenseid leisten dürfen, weshalb es einer Frau auch wenig nützt, ein Erbe anzutreten. Dennoch halte ich daran fest, daß Ashbury unser ist. Und eines Tages wird es uns auch wieder ge-hören, das schwöre ich dir, Elizabeth."
„Wie kannst du einen solchen Schwur aussprechen, wenn du doch keinerlei Hoffnung hast, ihn jemals einzulösen?" fragte Elizabeth bestürzt.
„So kann es nicht weitergehen! Wenn mich die vergangenen vier Jahre unter Richards Daumen etwas gelehrt haben, dann dies: Männer nehmen sich immer, was sie wollen."
Kathryn sprang auf, und ihre grünen Augen blitzten im Zorn.
„Der Onkel sieht in uns nichts weiter als Dienstmägde. Um jede Kleinigkeit müssen wir betteln, selbst um Dinge, die uns eigentlich von jeher gehören. Und aus diesem Grund will ich mich mit Roderick zusammentun."
Sie mäßigte sich ein wenig, als sie den verwirrten Gesichtsausdruck ihrer Schwester sah. „Du verstehst es noch immer nicht, oder?"
Elizabeth schüttelte stumm den Kopf.
„Onkel Richard wird von seiner Habgier getrieben", setzte Kathryn ihr auseinander. Er hat die uns als Mitgift zustehenden Ländereien nur deswegen verkauft, weil er uns auf diese Weise für immer in seiner Gewalt behalten kann. Er fürchtet nämlich, ein Ehemann könnte ihm den Anspruch auf den Besitz unseres Vaters streitig machen."
Kathryn wünschte, sie wäre selbst ein Mann und könnte ihrem Onkel im Schwertkampf das wieder abringen, was ihr kraft ihres Geburtsrechts zustand. Doch sie war nur eine Frau, und so mußte sie sich die Waffen nutzbar machen; die ihr zur Verfü-
gung standen - die Waffen einer Frau.
Zwar verstand sie nichts von Koketterie, doch sie lernte schnell. Der Ausdruck des Verlangens in Rodericks Blick war ihr nicht entgangen. Erst heute morgen hatte er ihr seine Liebe erklärt, und sie hoffte, ihn mit einigem Geschick beeinflussen zu können, um auf diese Weise ihre Freiheit zu erlangen.
„Es gibt auf Ashbury noch immer Ritter, die loyal uns gegen-
über sind, obschon unser Onkel sich ihrer entledigen und durch eigene Untergebene ersetzen will", fuhr sie entschlossen fort.
„Ich zähle auf diese Loyalität und auf Rodericks hohe Stellung.
Immerhin verfügt er über eigene Ritter, die ihm die Treue geschworen haben. Wenn Richard vertrieben und Roderick mein Gatte ist, wird Ashbury wieder uns gehören."
„Rebellion?" fragte Elizabeth entsetzt. „Du willst einen Auf-stand gegen unseren Onkel auf seiner eigenen Burg wagen?"
„Sprich nicht so laut", warnte Kathryn und schaute sich unwillkürlich im Gemach um. „Jawohl, ich will es wagen. Richard ist ein harter und brutaler Herr. Viele Menschen hier würden ihn nur zu gern durch jemand anderen ersetzt sehen." Sie schüttelte den Kopf. „Ich wähle diesen Weg nicht gern, doch ein anderer steht mir nicht offen."
„Ich glaube, langsam begreife ich." Elizabeth seufzte. „Nur-mußt du Roderick unbedingt gleich heiraten, um deinen Plan ins Werk zu setzen?"
„Es ist die einzige Möglichkeit", antwortete Kathryn fest.
„Er betrachtet dich jedesmal so eigenartig, wenn er sich un-beobachtet fühlt. Mir scheint, er ist ebenso habgierig wie Onkel Richard." Elizabeth erschauderte, wenn sie nur an den breit-schultrigen, großen dunkelblonden Roderick dachte. Zwar sah er recht gut aus und zeigte auch nicht ein so übles Benehmen wie die meisten anderen Ritter, doch irgend etwas störte sie an ihm.
„Ich mag ihn nicht, Kathryn", gestand sie. „Wie kannst du ihn nur heiraten wollen?"
„Du magst überhaupt keinen Mann", stellte ihre Schwester fest. Tatsächlich fürchtete sich Elizabeth sogar vor jedem Mann, obwohl sie sich das jetzt nicht mehr so deutlich anmerken ließ.
Nachdenklich betrachtete Elizabeth Kathryn und fragte sich
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