Geliebter Freibeuter
Eloise.
»Dotty.«
»Nur Dotty? Hast du einen Nachnamen und bist du hier geboren oder aus deiner Heimat nach Jamaika gebracht worden?«
Eloise hatte die Fragen mit freundlicher Stimme und aus ehrlichem Interesse gestellt, darum konnte sie sich nicht zusammenreimen, was sie Schlimmes gesagt hatten, weil Dotty erschrocken einen Schritt zurückwich und abwehrend die Hände hob. Eloise meinte sogar zu erkennen, dass die dunkle Haut ihres Gesichts eine Spur blasser geworden war. Sie betrachtete die Schwarze interessiert. Offenbar war sie eine Art Haushälterin, so wie Betty im Haus von Dark Flynn, aber der Unterschied zwischen den beiden Frauen konnte nicht größer sein. Nicht nur, dass Dotty mindestens doppelt so alt und drei Mal so breit wie Betty war. Während Betty stolz undvoller Zuneigung zu Flynn gewesen war, glaubte Eloise, in Dottys Augen Angst zu erkennen. Sie trat auf die Frau zu, aber diese wich sofort weiter zurück.
»Was ist denn los, Dotty?«, fragte Eloise sanft. »Ich möchte doch nur wissen, woher du kommst und ob du gerne hier arbeitest.«
»Ich sein gerne hier … natürlich … Master sein sehr gut …« Dottys hastig hervorgestoßene Worte und der flackernde Blick straften ihre Worte Lügen. »Hier sein meine Heimat. Ich sein gute Sklavin …«
Beim letzten Wort zuckte Eloise zusammen. Unwillkürlich dachte sie an Flynns Äußerung, David Morgan wäre ein grausamer Sklavenhändler, und das Bild der ausgemergelten Menschen drängte sich in ihre Erinnerung. Obwohl erst wenige Tage seit ihrem Abschied von Mantana Island vergangen waren, schien es Eloise, als wäre es ein anderes Leben gewesen. Hier auf Jamaika, in dem Haus ihres Bräutigams, war sie wieder in ihrer eigenen Welt, doch nun erkannte sie, dass es nicht mehr die Welt war, zu der sie gehörte. Sie stand in einem luxuriös eingerichteten Zimmer, dennoch fühlte sie sich wie ein Fremdkörper.
»Ja, bring mir bitte Wasser«, sagte sie leise zu Dotty und sah der Dienerin nach, als diese lautlos verschwand.
Sie würde sich waschen und dann ein paar Stunden schlafen. Wenn sie erst wieder erholt war, würden diese dummen Gedanken ganz bestimmt verschwinden. Nur die extreme seelische Belastung, in der sie sich in den letzten Wochen befunden hatte, war dafür verantwortlich, dass sie nicht mehr zu wissen schien, wo ihr Platz war und zu welchen Kreisen sie gehörte. Wie kam sie dazu, einem Mann nachzutrauern, der nicht nur ein Pirat und Mörder war, sondern der sie auchschamlos ausgenutzt und sich auf ihre Kosten lustig gemacht hatte? Wahrscheinlich lachte bereits die ganze Piratenmannschaft darüber, wie bereitwillig sie sich in Flynns Arme geworfen und sich von ihm hatte küssen lassen. Bei der Erinnerung schoss Schamröte in Eloises Wangen, und sie schlug die Hände vors Gesicht. Aber trotz allem, was Flynn ihr angetan hatte – sie wollte nicht, dass man ihn fing und womöglich tötete. Sie wollte ihm nur niemals wieder begegnen und hoffte, bald alles für immer und ewig vergessen zu können.
Eloise hatte gedacht, den ersten Abend allein mit David Morgan zu verbringen, und war erstaunt, den Gouverneur der Insel, Sir William Trelawny, im Speisezimmer anzutreffen. David stellte sie einander vor, und der Gouverneur küsste Eloise formvollendet die Hand.
»Es freut mich sehr, Euch wohlbehalten und gesund begrüßen zu dürfen, Lady Gilbert.« Seine wässrigblauen Augen musterten Eloise aufmerksam. »Sir David berichtete mir bereits, dass dieser Flynn Euch den Umständen entsprechend wohl anständig behandelt hat, und wir können Gott danken, dass Euch kein größeres Leid geschehen ist.«
»Ich danke Euch für die freundlichen Worte, Sir.« Eloise nickte ihm höflich zu.
Sie begaben sich zu Tisch und, nachdem sie die Suppe gegessen hatten, richtete Morgan das Wort an Eloise.
»Du siehst heute Abend schon viel besser aus, meine Liebe, und ich hoffe, du wirst dich bald restlos von den Strapazen erholt haben. Dennoch ist es notwendig, so bald wie möglich alles über deine Entführung zu erfahren, solange Flynn noch in der Nähe ist.«
Auch der Gouverneur sah Eloise erwartungsvoll an, sokonnte sie nicht länger schweigen. Mit einem leisen Seufzer legte sie die Serviette zur Seite und sagte leise: »Es gibt nicht viel, was ich Euch berichten kann, Sir. Nachdem die
Queen Beth
überfallen und meine Zofe und ich auf das Piratenschiff gebracht wurden, mussten wir die ganze Zeit unter Deck in einer fensterlosen Kabine bleiben. Nach vier oder
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