Geliebter Freibeuter
abgesucht. Das ganze Haus und die Plantage, aber keine Spur gefunden. Die Damen scheinen vom Erdboden verschluckt zu sein.«
»Wie konnte es passieren, dass sie die Plantage verließen?«, schrie Morgan in die Runde. Das alles durfte nicht wahr sein! Er befand sich sicher in einem Alptraum, aus dem er bald erwachen würde.
»Es fehlt ein Einspänner, Sir«, fügte Jacko hinzu. »Das Gefährt wurde gestern im Hafenviertel von Kingston gefunden.«
Langsam, aber sicher dämmerten Morgan die Zusammenhänge und fügten sich wie Mosaiksteinchen zu einem Bild. Plötzlich ergab Flynns Finte mit dem verlassenen Schiff einen Sinn. Während er und die Offiziere auf See Jagd auf den Piraten gemacht hatten, war er hier einfach hereinmarschiert und hatte Eloise erneut entführt!
Morgan ließ sofort alle Wachen zusammentrommeln, aber trotz zwei Stunden intensiver Befragungen schien niemand etwas bemerkt zu haben. Jeder versicherte, es wäre keinem Fremden gelungen, auf das Gelände des Herrenhauses vorzudringen. Auch schien niemand bemerkt zu haben, wie die beiden Frauen die Plantage verlassen hatten. Da es jedoch von dem Haus aus keinen Geheimgang nach draußen vor die Mauer gab, durch den Eloise hätte geschleppt werden können,wusste Morgan, dass wenigstens einer der Männer log. Am liebsten hätte er auf der Stelle Befehl gegeben, sie alle so lange auspeitschen zu lassen, bis sie die Wahrheit gestanden, aber er wusste, er würde damit keinen Erfolg haben. Dark Flynn war ein Freund der Sklaven, und wenn es sein musste, hielten diese Nigger zusammen.
Morgan stürmte ins Haus zurück und schenkte sich ein Glas Brandy ein. Nachdem er es in einem Zug geleert hatte, setzte er sich an den Tisch, stützte den Kopf in die Hände und lachte laut. Jahrzehntelang war in seinem Leben alles glatt und ohne Schwierigkeiten verlaufen. Er besaß die größte Zuckerrohrplantage Jamaikas und die meisten Sklaven, und der Handel mit frischer Ware aus Afrika florierte und machte ihn von Jahr zu Jahr reicher. An willigen Frauen hatte es Morgan nie gemangelt, in den Hurenhäusern der Stadt waren sie zu Dutzenden bereit gewesen, seinen Wünschen nachzukommen. Aber seit dem Augenblick, als er sich entschlossen hatte, seinen Lebenswandel etwas seriöser zu gestalten, zu heiraten und eine Familie zu gründen, schien sich alles gegen ihn verschworen zu haben. Morgan war nicht abergläubisch, und er glaubte nicht an die Hölle oder den Teufel, doch langsam, aber sicher kam er zu der Überzeugung, dass sein Unglück mit Eloise zusammenhing. Erst hatte er seinem künftigen Schwiegervater mit einer großen Summe Geldes aus einem finanziellen Engpass helfen müssen, dann wurde seine Braut entführt und nur gegen Zahlung eines immens hohen Lösegelds wieder freigelassen, und nun schien sie sich erneut in der Gewalt der Piraten zu befinden. Aber warum? Morgan grübelte lange darüber nach, kam aber zu keinem Ergebnis. Er war sich sicher, bald mit einer erneuten Lösegeldforderung konfrontiert zu werden, und er hattenicht übel Lust, diese zu ignorieren. Ein wenig Ritterlichkeit und Anstand steckten aber doch noch in ihm. Natürlich würde er Eloise befreien und sie nicht der Gewalt Flynns überlassen. Er konnte sich einen weiteren Skandal, indem er seine Braut im Stich ließ, nicht erlauben, wollte er eine Chance haben, doch noch Gouverneur zu werden.
Hätte Morgan in diesem Moment auch nur geahnt, dass Eloise freiwillig zu Flynn gegangen war und jetzt in seinen Armen lag, hätte sich sein grenzenloser Hass auf den Piraten auch auf sie gerichtet.
»Das kommt auf keinen Fall in Frage!« Zornig stemmte Eloise die Hände in die Hüften. Ihre grünen Augen funkelten wie die einer Katze, bereit zum Sprung auf ihr Opfer.
»Ach, Liebes, wir haben das doch besprochen, und meine Entscheidung steht fest.« Flynn sah sie lächelnd an. Er verstand ihre Entrüstung, hatte aber keine andere Wahl. »Es ist viel zu gefährlich, mich nach Kingston zu begleiten. Nein, nein, du und deine Zofe, ihr werdet auf Mantana Island warten.«
»Ich lasse dich nicht allein!« Wie ein trotziges Kind stampfte Eloise mit dem Fuß auf. »Du brauchst mich, denn wie stellst du dir vor, Trelawny warnen zu können? Glaubst du etwa, du kannst einfach in sein Haus marschieren und ihm sagen, dass David Morgan ihn umbringen will? Ha, er wird dich natürlich äußerst freundlich empfangen und dir aufmerksam zuhören. Nein, mein Lieber, er wird dich sofort verhaften und ins Gefängnis werfen
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