Geliebter Fremder
Erleichterung hatten Lord und Lady Arthur beschlossen, in ihrem eigenen Londoner Haus zu wohnen, da sie die vertraute Umgebung dem Haus der Hawksworths vorzogen. Leise bat Lara die Dienstboten, ihre Koffer in ihrem üblichen Schlafzimmer auszupacken. Der Butler jedoch teilte ihr mit, dass dieser Raum bereits belegt sei.
»Von wem?«, fragte Lara misstrauisch. »Von der verwitweten Countess, Mylady.« Hunters Mutter war hier? Lara blieb der Mund offenstehen und sie starrte den Butler verständnislos an. »Wann…? Wie …?«
»Ich bin erst heute Nachmittag angekommen«, kam die Stimme ihrer Schwiegermutter von der Treppe. »Nachdem einer deiner Briefe, die du durch ganz Europa geschickt hattest, mich endlich erreicht hat, bin Ich sofort nach London gefahren. Ich hatte vor, morgen nach Hawksworth Hall zu kommen und mir selbst ein Bild über diese seltsame Geschichte zu machen. Stattdessen erfuhr ich jedoch, dass mein angeblicher Sohn hier festgehalten wird.
Offensichtlich bin ich keinen Augenblick zu früh eingetroffen.«
Lara eilte bereits die Treppe hinauf, noch bevor ihre Schwiegermutter den Satz zu Ende gesprochen hatte. Wie immer wirkte Sophie, die verwitwete Countess of Hawksworth, schlank und attraktiv, mit aufgetürmten silbernen Locken und den zahlreichen Perlenketten, die auf ihrem Busen hingen. Sie war eine intelligente, praktisch veranlagte Frau, die selbst unter den schwierigsten Umständen keine Gefühle zeigte. Es war schwer, Sophie zu lieben, aber sie zu mögen war leicht.
»Mutter!«, rief Lara aus und umarmte sie.
Sophie tolerierte zwar die Geste der Zuneigung, erwiderte sie aber nicht, sondern lächelte Lara nur liebevoll an.
»Nun, Lara … es sieht so aus, als hättest du besser meine Einladung angenommen, mit mir auf Reisen zu gehen. Du hattest eine schwere Zeit, nicht wahr?«
»Ja«, erwiderte Lara und erwiderte das Lächeln schwach. Ihre Augen brannten.
»Na, na«, sagte Sophie begütigend. »Wir werden alles besprechen, du und ich, und schon zu einer Lösung kommen.
Eine Flasche Wein und ein gutes, langes Gespräch … das brauchen wir jetzt.«
Sophie gab den Dienstboten rasch ein paar Anweisungen, dann ergriff sie Laras Arm und gemeinsam gingen sie in den Lavendelsalon, ein Zimmer, das Sophie selbst eingerichtet hatte. Dieser Raum war der einzige in einer ausschließlich männlichen Umgebung, der einen weiblichen Charakter hatte. Die Wände waren mauve- und lavendelfarben, mit pflaumenblauen Akzenten und kleinen, goldgerahmten Tischen. Die Fensterscheiben waren mit Veilchen bemalt, deren Duft auch von Sophie ausging, weil sie seit Jahrzehnten ihr Lieblingsparfüm waren.
Lara fragte sich, in welchem Zimmer Hunter eingesperrt war und was er wohl gerade dachte. Ob er wusste, dass sie da war? »Hast du ihn gesehen?«, fragte sie Sophie nervös.
Die Witwe ließ sich Zeit mit der Antwort. »Ja, ich habe ihn gesehen. Wir haben uns lange unterhalten.«
»Er sieht Hunter sehr ähnlich, nicht wahr?«
»Natürlich. Ich wäre überrascht, wenn das nicht so wäre.«
Verblüfft setzte Lara sich und starrte ihre Schwiegermutter an. »Ich weiß nicht, was du meinst.«
Einen Moment lang sahen sie einander nur an. Lara hatte ihre Schwiegermutter noch nie so aufgewühlt gesehen.
»Ich verstehe«, murmelte die Witwe schließlich. »Man hat es dir also nicht erzählt.«
»Was erzählt?«, fragte Lara frustriert. »Du lieber Himmel, ich bin es leid, von Geheimnissen umgeben zu sein!«, rief sie aus. »Bitte, was weißt du über den Mann, der in diesem Hause bewacht wird?«
»Zunächst einmal«, erwiderte ihre Schwiegermutter, »dass er und mein Sohn Hunter Halbbrüder waren.«
Kapitel 19
Ungerührt von Laras verwirrtem Blick, wartete Sophie geduldig ab, bis ein Lakai mit einer Flasche Rotwein und zwei geschliffenen Kristallgläsern erschien. Ein anderer Lakai übernahm die Zeremonie, die Flasche zu öffnen.
Lara biss sich auf die Lippen und sah ungeduldig zu, wie die Lakaien ihren Aufgaben mit unendlicher Langsamkeit nachkamen.
Dann ergriff sie den Stil ihres Weinglases und hielt es so fest, dass die Gravuren Abdrücke an ihren Fingern hinterließen. Sie wartete, bis die Dienstboten wieder gegangen waren, und sagte dann leise: »Bitte, erzähle es mir.«
»Mein Mann, Harry, hatte eine Schwäche für attraktive Frauen«, sagte Sophie. »Ich habe es toleriert, weil er diskret vorging und weil er immer zu mir zurück ge kommen ist. Kein Mann ist vollkommen, Larissa, jendeinen unangenehmen
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