Geliebter Fremder
glücklich machen, wenn Sie ihm in jeder nur erdenklichen Weise helfen würden, da ich dazu nicht in der Lage bin.«
»Ja, Mylady.« Er schenkte ihr ein bekümmertes Lächeln. »Verzeihen Sie mir meine Unhöflichkeit, aber ich muss jetzt gehen. Ich habe zahlreiche Dinge für Lord Hawksworth zu erledigen.«
Sie stand auf und reichte ihm die Hand. »Tun Sie Ihr Bestes für ihn«, sagte sie leise.
»Natürlich.« Young zog bedauernd die Stirn in Falten. »Sie beide sind offensichtlich ein ideales Paar. Eigentlich sollten Sie allen Grund haben, glücklich zu sein, aber das Schicksal wirft Ihnen ständig Steine in den Weg. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass es so weit kommen würde.«
»Ich auch nicht«, flüsterte Lara.
»Ich habe mich nie für einen Romantiker gehalten«, sagte er verlegen, »aber, Mylady, ich hoffe, dass Sie und er …«
»Nein«, erwiderte sie sanft und geleitete ihn zur Tür, »hoffen Sie nicht.«
Die Wände des Kinderzimmers hingen voller Bilder mit spielenden Kindern und überall lagen Puppen und Spielzeug herum. Lara hatte versucht, den Raum zu einem Zufluchtsort für Johnny zu machen, aber es gab wohl nur sehr wenig, vor dem sie ihn schützen konnte. Sie stellte ein Buch zurück an seinen Platz in dem blau gestrichenen Regal und setzte sich auf die Kante von Johnnys Bett. Er wirkte so klein, wie er da in den Kissen lag, das schwarze Haar noch feucht von seinem abendlichen Bad.
Die Reaktion des Jimgen auf die Ereignisse der letzten Tage war fast schlimmer als die Tränen, die Lara erwartet hatte. Er hatte traurig auf Hunters Abwesenheit reagiert und sein strahlendes, energiegeladenes Wesen schien wie ausgelöscht zu sein. Lara hatte ihm keine Einzelheiten erklärt, weil sie wusste, dass es für ein Kind seines Alters zu viel sein würde. Sie hatte ihm einfach nur gesagt, dass Hawksworth sich falsch benommen habe und eingesperrt worden sei, bis ein Richter über ihn entscheiden würde.
»Mama«, fragte Johnny und blickte sie aus seinen riesigen blauen Augen an, »ist Lord Hawksworth ein böser Mann?«
Lara strich ihm über die Haare. »Nein, Liebling«, murmelte sie. »Ich glaube nicht, dass er wirklich böse ist. Aber er muss wohl für ein paar Dinge bestraft werden, die er in der Vergangenheit gemacht hat.«
»Lord Arthur hat gesagt, sie hängen ihn wie meinen Papa.«
»Ach ja?« Lara verbarg ihren Zorn auf Arthur. »Nun, niemand weiß genau, was geschehen wird, bevor wir nicht mit dem Lordkanzler geredet haben.«
Johnny drehte sich auf die Seite und stützte den Kopf auf die Hand. »Mama, muss ich eines Tages auch wieder ins Gefängnis?«
»Niemals«, erwiderte Lara fest und drückte ihre Lippen auf seinen schwarzen Schopf. »Das werde ich niemals zulassen.«
»Aber wenn ich später mal ein böser Mann werde …«
»Du wirst ein guter Mann werden«, sagte Lara. Voller Zärtlichkeit und Liebe blickte sie ihn an. »Du darfst dir über so etwas keine Gedanken machen. Wir bleiben immer zusammen, Johnny, und alles wird gut.«
Der Junge kuschelte sich in die Kissen, aber sein Gesichtsausdruck war immer noch ernst und unsicher. »Ich möchte, dass Lord Hawksworth zurückkommt«, sagte er.
Lara schloss die Augen und drängte die aufsteigenden Tränen zurück. »Ja, ich weiß.« Zitternd atmete sie durch und steckte die Decke um die schmalen Schultern des Jungen fest.
Lara kam am Abend vor dem vereinbarten Termin mit dem Lordkanzler in London an. Sie hatte beschlossen, im Stadthaus der Hawksworths zu wohnen, der Residenz am Park Place, wo Hunter unter Bewachung stand. Das strahlende weiße Stadthaus mit seinem Säuleneingang war elegant und geschmackvoll ausgestattet. Die Täfelung im Innern war aus glänzender dunkler Eiche und die Wände waren cremefarben und in einem Olivton gestrichen, der vor fünfzig Jahren für die Hawksworths entwickelt worden war. Er war aus einer besonderen Kombination von Preußischblau und Ocker entstanden und hatte damals in ganz England Furore gemacht.
Als Lara sich dem Stadthaus näherte, war sie von zitternder Erwartung und Erregung erfüllt. Der Gedanke daran, die Nacht unter dem gleichen Dach wie Hunter zu verbringen, wenn auch in getrennten Zimmern, ließ sie erbeben.
Sie wollte ihm die Fragen stellen, die sie Tag und Nacht gequält hatten. Sie war sich jedoch nicht sicher, ob sie ihm gegenübertreten könnte. Sie würde wahrscheinlich bei seinem Anblick zusammenbrechen – und diese Demütigung würde sie nicht überleben.
Zu Laras
Weitere Kostenlose Bücher