Geliebter Fremder
hatte ihr sein Vertrauen geschenkt und sie würde eher sterben, als ihn zu verraten. »Ich weiß, dass ich nicht alle Kinder der Welt retten kann«, sagte sie. »Aber ein paar kann ich retten. Und vor allem dieses hier.«
»Was hast du mit ihm vor?«
»Ich habe bisher noch keinen Plan.«
»Du denkst doch nicht daran, ihn zu behalten?«
Laras trotziges Schweigen war Antwort genug.
Rachel setzte sich neben sie und sagte ernst: »Liebste, ich habe Hunter nie sehr gut gekannt – und jetzt kenne ich ihn weniger denn je –, aber ich weiß, wie viel Kummer es dir bereitet hat, dass du keine Kinder bekommen konntest. Er will ein eigenes Kind, einen Erben … kein Kind aus der Gosse, das in einem Gefängnis aufgewachsen ist.«
»Rachel!«, flüsterte Lara entsetzt.
Rachel sah sie resolut an. »Dir mag meine Wortwahl nicht gefallen, aber ich muss aufrichtig zu dir sein. Du hast dich daran gewöhnt, deine Entscheidungen zu treffen, ohne dass sich ein Ehemann einmischt. Jetzt ist Hunter zurückgekehrt und die Dinge haben sich geändert. Eine Frau muss sich nun einmal den Entscheidungen ihres Mannes unterwerfen.«
Lara schob eigensinnig ihr Kinn vor. »Ich versuche ja nicht, diesen Jungen als Ersatz für die Kinder vorzuschieben, die ich nicht haben kann.«
»Wie sonst soll Hunter es sehen?«
»So wie ich – dass dies ein kleiner Junge ist, der unsere Hilfe braucht.«
»Liebste.« Rachels schöner Mund verzog sich zu einem traurigen Lächeln. »Ich will nicht, dass du enttäuscht wirst.
Ich halte es einfach nicht für klug, so kurz nach Hunters Rückkehr Probleme zu provozieren. Eine friedliche Ehe ist der größte Segen, den man sich vorstellen kann.«
Lara blickte ihre Schwester aufmerksam an. Auf einmal fielen ihr die erschöpften Fältchen um die Augen und auf der Stirn auf. Auch ihre Haltung war sehr angespannt. »Rachel, was ist los? Gibt es wieder Probleme zwischen dir und Lord Lonsdale?«
Ihre Schwester schüttelte verlegen den Kopf. »Nein, eigentlich nicht, es ist nur … Terrell ist in der letzten Zeit so schnell beleidigt. Er ist gelangweilt und unglücklich, und wenn er zu viel trinkt, regt er sich immer so auf …«
»Regt er sich auf«, fragte Lara leise, »oder misshandelt er dich?«
Rachel schwieg und schlug die Augen nieder. Es sah so aus, als ringe sie mit sich um eine Entscheidung.
Schließlich schob sie das weiße Jabot, das den Ausschnitt ihres Kleides bedeckte, beiseite.
Lara starrte verständnislos auf den Rachels Hals, auf dem zwei große blaue Flecken und die Abdrücke von vier Fingern zu sehen waren. Das hatte Lord Lonsdale ihr angetan … aber warum nur? Rachel war das sanfteste aller Geschöpfe, sie tat immer ihre Pflicht und machte ihrem Ehemann und allen anderen in ihrer Umgebung das Leben so behaglich wie nur möglich.
Lara bebte vor Wut und Tränen traten ihr in die Augen. »Er ist ein Ungeheuer!«, sagte sie scharf.
Eilig bedeckte Rachel ihren Ausschnitt wieder. »Larissa, nein, nein … ich habe dir das nicht gezeigt, damit du ihn hasst. Ich weiß gar nicht, warum ich es dir gezeigt habe. Es ist mein Fehler. Ich habe mich darüber beklagt, dass er spielt, und habe ihn so wütend gemacht, dass er es nicht mehr ertragen konnte. Ich muss versuchen, ihm eine bessere Ehefrau zu sein. Er braucht etwas, was ich ihm nicht geben kann. Wenn ich ihn doch nur besser verstehen könnte …«
»Wenn Hunter zurückkommt, sage ich ihm, er soll mit Lord Lonsdale reden«, sagte Lara, ohne auf die Einwände ihrer Schwester zu achten.
»Nein! Es sei denn, du willst, dass so etwas noch einmal passiert – oder gar Schlimmeres.«
Lara schwieg unglücklich und kämpfte mit den Tränen. Sie und Rachel waren in dem Glauben erzogen worden, Männer seien ihre Beschützer und ein Ehemarin sei ihnen stets überlegen und klüger. In ihrer behüteten Unschuld hatte sie sich nicht vorstellen können, dass ein Mann seine Frau schlägt oder auf andere Weise verletzt. Warum musste dies ausgerechnet Rachel passieren, der süßesten und sanftesten Frau, die sie kannte? Und wie konnte Rachel behaupten, es sei ihre Schuld?
»Rachel«, sagte sie schließlich mit unsicherer Stimme, »du hast nichts getan, womit du das verdient hättest. Und Lord Lonsdale hat bewiesen, dass sein Wort nichts gilt. Er wird dir gegenüber so lange gewalttätig sein, bis jemand eingreift.«
»Du darfst es Lord Hawksworth nicht erzählen«, bat Rachel. »Es wäre eine solche Demütigung für mich.
Außerdem, wenn dein
Weitere Kostenlose Bücher