Geliebter Fremder
seine Erregung nicht schon bemerkt hätte. »Aber ich will nur dich.«
»Hat man dir nie gesagt, dass du nicht alles haben kannst, was du willst?«
Das entlockte ihm ein Grinsen. »Ich kann mich nicht erinnern.«
Trotz seiner Kraft wirkte er jungenhaft und mutwillig und Lara merkte, dass ihr Herz nicht aus Angst so rasch schlug. Auch sie war erregt, weil sie zum ersten Mal die Macht spürte, die sie über einen Mann hatte. Entschlossen weigerte sie sich, ihm zu geben, was er wollte, und drehte den Kopf zur Seite.
»Was bekomme ich, wenn ich dich küsse?«, fragte Lara. Der leise herausfordernde Tonfall schien ihr so gar nicht zu ihrem Wesen zu passen.
Die Frage durchbrach seine Selbstbeherrschung in einem solchen Maße, dass er zu erkennen gab, wie sehr er sie begehrte. Er drückte sie fest an sich. »Nenn deinen Preis«, murmelte er. »Innerhalb vernünftiger Grenzen.«
»Ich glaube beinahe, dass du das, was ich will, nicht vernünftig finden wirst«, erwiderte sie schuldbewusst.
Hawksworth grub seine Finger in ihre aufgelösten Haare und schob ihren Kopf zurück. »Küss mich erst einmal.
Über das ›vemünftig‹ reden wir später.«
»Ein Kuss?«, fragte sie misstrauisch.
Er nickte und hielt den Atem an, als Lara ihm die Arme um den Hals legte. Sie zog seinen Kopf zu sich herunter und kam ihm mit ihren weichen Lippen entgegen …
»Lara! Lara!« Eine kleine Gestalt kam auf sie zugerannt und Lara wand sich aus Hunters Armen, um Johnny entgegenzutreten. Angsterfüllt stürmte er auf sie zu und packte ihre Röcke.
»Was ist los?«, fragte sie, kniete sich vor ihn hin und rieb ihm über den schmalen Rücken.
Johnny ließ sich kurz trösten, dann hob er seinen dunklen Kopf und starrte Hawksworth mit einer Mischung aus Misstrauen und Abneigung an. »Er hat dir wehgetan.«
Lara presste die Lippen zusammen, um nicht lächeln zu müssen. »Nein, Liebling. Das ist Lord Hawksworth. Ich habe ihn gerade zu Hause willkommen geheißen. Alles ist in Ordnung.«
Offenbar nicht überzeugt starrte das Kind den Eindringling weiter finster an.
Hawksworth musterte seinerseits das Kind, darin blickte er Lara an wie ein hungriger Tiger, der gerade seiner Beute beraubt worden war. »Das ist wahrscheinlich eine der ›Veränderungen‹, die du erwähnt hast«, sagte er.
»Ja.« Da sie spürte, dass es falsch wäre, sich irgendeine Unsicherheit anmerken zu lassen, blickte Lara ihm gerade in die Augen und antwortete so bestimmt wie möglich: »Ich wünschte, ich hätte es dir erklären können, bevor du ihn gesehen hättest… aber ich habe vor, Johnny von nun an bei uns wohnen zu lassen.«
Alle Leidenschaft und Hitze verschwand aus Hawksworths Augen und sein Gesichtsausdruck wurde mit einem Mal undurchdringlich. »Ein Waisenkind?«
Johnny schob seine kleine Hand in ihre und sie drückte sie beruhigend. Sie wich Hawksworths Blick nicht aus. »Ich erkläre dir alles später unter vier Augen.«
»Ja, tu das«, erwiderte Hawksworth in einem Ton, der sie erschauern ließ.
Lara überließ Johnny der Obhut des alten Gärtners, Mr. Moody, der gerade Treibhausblumen schnitt und sie in Gefäßen und Vasen für die verschiedenen Zimmer in Hawksworth Hall anordnete. Lara lächelte, als sie sah, wie das Kind seinen eigenen kleinen Strauß zusammenstellte. »Sehr gut, mein Junge«, lobte ihn der Gärtner, entfernte sorgfältig alle Dornen von einer Rose und reichte sie ihm. »Du hast ein Auge für Farben. Ich zeige dir, wie man ein hübsches Bouquet für Lady Hawksworth macht, und dann stecken wir es in eine Vase, damit die Blumen frisch bleiben.«
Johnny schüttelte den Kopf, als er die weiße Rose sah. »Nicht die«, sagte er schüchtern. »Sie mag eine rosa Blume.«
Lara blieb überrascht und erfreut auf der Schwelle stehen. Bis jetzt war Mr. Moody außer ihr die einzige Person, mit der Johnny gesprochen hatte.
»Ach, tut sie das?« Mr. Moodys zerfurchtes Gesicht wurde weich, als er lächelte. Er wies auf die Rosensträucher.
»Dann such dir die Schönste aus, mein Junge, und ich schneide sie dir ab.«
Lara staunte über die Stärke ihrer Gefühle gegenüber dem kleinen Jungen, als ob ein mächtiger Strom von Emotionen, der all die Jahre über eingedämmt gewesen war, auf einmal durchgebrochen wäre. In ihren Selbstvorwürfen und ihrer Scham darüber, dass sie Hawksworth keinen Erben schenken konnte, hatte sie ihre eigene Sehnsucht nach einem Kind nie anerkannt. Jemand, der ihre Liebe ohne Grenzen oder Bedingungen annahm
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